Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh

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22

    In Oxford gibt’s Doktoren,
    Die einfach alles wissen.
    Bei mir sind sie verloren.
    Bin ihnen zu gerissen.
    KENNETH GRAHAME

    Der Rest meines Londonausflugs ging mit Vorbereitungen verschiedenster Art drauf.
    Ich tippte eine lange und unverständliche Aussage, beschränkte mich auf die Teile meiner Abenteuer, wo ich anständig und umsichtig gehandelt hatte, und deponierte sie bei Mr Halkerston von der National Westminster Bank am Swiss Cottage. Sie war lang geworden, weil ich keine Zeit hatte, mich kurz zu fassen, und unverständlich, weil meine Schreibmaschine kein d hat.
    Halkerston wirkte beunruhigt; ob das an mir lag oder an dem dicken braunen Umschlag, den ich ihm in die Hand drückte, weiß ich nicht. Er erkundigte sich, ob ich besondere Verfügungen hinsichtlich der Umstände hätte, unter denen der Umschlag geöffnet werden solle, aber als ich meinte, da vertraue ich voll und ganz seiner Urteilskraft, ließ er ihn wie eine heiße Kartoffel fallen und rief jemanden ins Zimmer, der den Umschlag im Tresor verwahren sollte.
    Außerdem konvertierte ich mein verbliebenes Guthaben von Woolfs damaliger Überweisung in Travellerschecks.
    Als ich somit gut bei Kasse war, schaute ich bei Blitz Electronics auf der Tottenham Court Road vorbei und sprach eine geschlagene Stunde mit einem freundlichen Turbanträger über Funkfrequenzen. Er versicherte mir, mit dem Sennheiser Mikroport SK 2012 sei ich auf dem allerneusten Stand und solle mich mit nichts Geringerem begnügen, und das tat ich dann auch nicht.
    Als nächstes fuhr ich nach Islington zu meinem Anwalt, der mir enthusiastisch die Hand schüttelte und eine Viertelstunde lang beteuerte, wir müßten unbedingt mal wieder Golf spielen. Ich zeigte mich von dieser Idee ganz begeistert, gab aber zu bedenken, daß wir genaugenommen erst einmal Golf spielen sollten, bevor wir wieder einmal Golf spielten. Er wurde rot und meinte, er habe mich wohl mit einem Robert Lang verwechselt. Ich meinte, ja, das habe er wohl, und dann setzte ich ein Testament auf, in dem ich all meine bewegliche und unbewegliche Habe dem Kinderschutzbund vermachte, und unterzeichnete es.
    Und als mir nur noch achtundvierzig Stunden blieben, bevor ich mich im Schützengraben zum Rapport melden mußte, fuhr ich Sarah Woolf über den Haufen.

    Ich fuhr sie buchstäblich über den Haufen.
    Ich hatte mir für ein paar Tage einen Ford Fiesta gemietet, um mich frei durch London bewegen zu können, während ich mit meinem Schöpfer und meinen Gläubigern Frieden schloß, und bei meinen Besorgungen kam ich in Sehnsuchtsweite der Cork Street. Aus keinem Grund, den ich freiwillig zugeben würde, bog ich links ab, dann rechts, noch einmal links, brauste unversehens an den – meist geschlossenen – Galerien vorbei und gedachte glücklicherer Tage. Faktisch waren sie bestimmt nicht glücklicher gewesen. Aber Sarah war durch jene Tage geschritten, und mehr hatte es nicht bedurft.
    Die Sonne stand tief und leuchtend am Horizont, aus dem Radio perlte vermutlich »Isn’t She Lovely«, als ich einen Sekundenbruchteil den Kopf zu Glass’ Galerie wandte. Ich drehte ihn zurück, als vor mir etwas Blaues hinter einem Lieferwagen hervorstürzte.
    Jedenfalls hätte ich »hervorstürzte« auf das Formular für die Beschreibung des Unfallhergangs geschrieben. Aber ich fürchte, »spazierte«, »schlenderte«, »flanierte«, ja selbst »ging« entsprach eher den Tatsachen.
    Ich ging viel zu spät in die Eisen und sah in ohnmächtigem Entsetzen mit an, wie das blaue Etwas erst Platz machen wollte, dann stehenblieb und schließlich mit den Fäusten auf die Kühlerhaube des Fiesta eintrommelte, dessen vordere Stoßstange auf seine Schienbeine zuhielt.
    Es hatte keinen Spielraum gegeben. Absolut keinen. Wäre die Stoßstange dreckig gewesen, hätte ich das blaue Etwas getroffen. Aber es gab keinen Dreck, also hatte ich mir auch nichts vorzuwerfen und konnte übergangslos explodieren. Ich hatte die Tür aufgerissen, war halb aus dem Wagen und wollte gerade losbrüllen, sagen Sie mal, sind Sie nicht ganz bei Trost, als mir die Beine, die ich da fast gebrochen hatte, plötzlich bekannt vorkamen. Ich sah hoch und entdeckte, daß das blaue Etwas ein Gesicht besaß, aufregende graue Augen, die erwachsene Männer dazu bringen konnten, dummes Zeug zu reden, sowie blendend weiße Zähne, von denen etliche jetzt zu sehen waren.
    »Ach du meine Güte«, sagte ich, »Sarah.«
    Sie starrte mich mit kalkweißem