Bockmist
den Kopf sinken.
»Was denn für einen Gefallen?«, fragte Philip noch einmal und schöpfte spürbar neue Hoffnung.
Ronnie kam wieder näher.
»Nein, laß nur, Philip«, sagte sie. »Mach das nicht. Wir gehen jetzt und lassen dich …«
»Paß auf«, sagte ich, immer noch mit gesenktem Kopf, »so eine Chance krieg’ ich vielleicht nie wieder. Ich muß ihn fragen. Das ist mein Job, hast du das schon vergessen? Ich interviewe die Leute.« Ich wurde sarkastisch und hinterfotzig, und Philip genoß jede Sekunde.
»Hör gar nicht auf ihn, Philip, es tut mir leid …« Ronnie warf mir einen wütenden Blick zu.
»Nein, keine Ursache«, sagte Philip. Er sah mich wieder an, ließ sich Zeit und wußte, wenn er jetzt keinen Fehler machte, war die Sache geritzt. »Was machen Sie denn beruflich, Thomas?«
Das »Thomas« war nett von ihm. Die liebe, freundliche und souveräne Tour bei einem Mann, der einem gerade die Verlobte ausgespannt hat.
»Er ist Journalist«, sagte Ronnie, bevor ich noch den Mund aufbekam. Bei ihr klang das nach einem scheußlichen Beruf. Und im Grunde …
»Sie sind Journalist, und Sie wollen mich etwas fragen?«, sagte Philip. »Na, dann schießen Sie mal los.« Philip lächelte. Ging hoch erhobenen Hauptes unter. Ein echter Gentleman eben.
»Thomas, wenn du ihn jetzt fragst, in dieser Situation, obwohl wir abgemacht hatten …« Sie beendete den Satz nicht. Philip wollte sie aussprechen lassen.
»Was dann?«, fragte ich pampig.
Ronnie starrte mich stocksauer an, wirbelte dann auf dem Absatz herum und starrte die Wand an. Dabei streifte sie Philips Ellbogen, und ich sah ihn ganz leicht zurückweichen. Sie legte eine Glanzleistung hin. Gleich hab’ ich’s geschafft, muß er gedacht haben. Jetzt bloß nichts übers Knie brechen.
»Ich stelle Recherchen an für einen Text über den Niedergang des Nationalstaats«, sagte ich lustlos, wie betrunken. Die wenigen Journalisten, mit denen ich es im Lauf der Jahre zu tun bekam, hatten eines gemeinsam: eine Pose ständiger Erschöpfung, weil sie immerzu mit Leuten zu tun hatten, die ihrer Einmaligkeit nicht das Wasser reichen konnten. Diese Pose versuchte ich zu kopieren, und anscheinend gelang mir das recht überzeugend. »Supranationalität der Multis«, nuschelte ich, als müßte auch der letzte Stoffel längst wissen, daß dieses Thema jetzt brandaktuell war.
»Und für welche Zeitung wäre das, Thomas?«
Ich sackte wieder auf den Stuhl. Die beiden standen nebeneinander auf der anderen Tischseite, und ich lümmelte mich auf meiner. Ich mußte nur noch ein paarmal rülpsen und mir Spinatreste aus den Zähnen pulen, und Philip wußte, daß er das große Los gezogen hatte.
»Eigentlich für jede, die es abdruckt«, sagte ich unter mürrischem Achselzucken.
Mittlerweile tat ich Philip leid, und er wunderte sich, wie er mich je für eine Bedrohung hatte halten können.
»Und Sie suchen was? Informationen?« Er lief in die Zielgerade ein.
»Genau«, sagte ich. »Hauptsächlich zu internationalen Finanztransfers. Wie die Leute die verschiedenen Devisenbestimmungen umgehen und Gelder verschieben, ohne daß es jemandem auffällt. Es geht mir in erster Linie um Hintergrundinformationen, aber es gibt da ein, zwei konkrete Fälle, die ich gern en detail beleuchten würde.«
Als ich das sagte, rülpste ich tatsächlich leise. Ronnie hörte es und nahm mich wieder aufs Korn.
»Philip, um alles in der Welt, sag dem Kerl, er soll verschwinden«, sagte sie. Sie funkelte mich an. Es war richtig beängstigend. »Der Typ platzt hier einfach rein … »
»Paß auf, kümmer du dich gefälligst um deinen eigenen Scheiß, ja?«, giftete ich ruppig zurück, und jeder Unbeteiligte hätte geschworen, daß wir seit Jahren eine unglückliche Ehe führten. »Philip macht das nichts aus, oder, Phil?«
Philip wollte gerade sagen, das mache ihm nicht das geringste aus, von seiner Warte aus laufe die Angelegenheit wie am Schnürchen, aber Ronnie ließ ihn nicht zu Wort kommen. Sie spuckte Gift und Galle.
»Er ist höflich, du Holzkopf«, stänkerte sie. »Philip weiß sich nämlich zu benehmen.«
»Im Gegensatz zu mir?«
»Du sagst es.«
»Dann kannst du’s dir ja sparen.«
»Mensch, du bist ja so sensibel.«
Wir stritten, daß die Fetzen flogen. Obwohl wir kaum geprobt hatten. Es gab eine lange, häßliche Pause, und vielleicht bekam Philip Angst, im letzten Moment könnte ihm noch alles durch die Lappen gehen, jedenfalls sagte er:
»Untersuchen Sie bestimmte
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