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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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leise.
    »Aleikum salem«, antwortete die Frau.
    Siebzig.
    Hugo schlug mit der Hand auf die Wasserfässer, drehte sich um und sah mich an.
    Ich setzte mich in Bewegung, aber schon nach zwei Schritten hörte ich es.
    Hörte und spürte es. Es war wie eine Explosion.
     
    Wenn man im Fernsehen zwei Autos zusammenstoßen sieht, servieren die Tontechniker einem einen bestimmten Geräuschpegel, und man sagt sich, ja stimmt, genau so hört sich ein Autounfall an. Man vergißt dabei (wenn man ein Glückskind ist, hat man es nie gewußt), wieviel Energie frei wird, wenn eine halbe Tonne Metall auf eine halbe Tonne Metall prallt. Oder auf eine Hauswand. Riesige Energiemengen, die einen von Kopf bis Fuß durchschütteln, selbst wenn man hundert Meter weit weg ist.
    Die Hupe vom Landrover, die Cyrus mit seinem Messer festgeklemmt hatte, gellte durch die Stille wie die Todesschreie eines Tiers. Dann verhallte sie, wurde übertönt von den Geräuschen, mit denen Türen auf-und zuschlugen, Stühle zurückgeschoben wurden und Körper sich plötzlich an Türen und Fenstern aufbauten – sich ansahen und wieder den Korridor hinabsahen.
    Alle redeten durcheinander, die meisten machten Bemerkungen wie »Herrgott« oder »Da leck mich doch einer« oder »Scheiße, was is’n jetzt los?«, und plötzlich sah ich ein Dutzend Menschen von hinten, sie hasteten von uns fort, trippelten, sprangen und stolperten übereinander, um zur Treppe zu kommen.
    »Meinen Sie, wir sollten mal nachsehen?«, fragte Francisco die Dame am Tisch.
    Sie sah erst ihn an und dann den Korridor hinab.
    »Ich kann hier nicht … wissen Sie …«, sagte sie, und ihre Hand glitt zum Telefon. Ich weiß nicht, wen sie eigentlich anrufen wollte.
    Francisco und ich sahen uns etwa eine Hundertstelsekunde lang an.
    »War das …«, setzte ich an und musterte die Frau nervös, »ich meine, klang das nicht wie eine Bombe?«
    Sie legte eine Hand aufs Telefon und streckte die andere mit der Handfläche nach außen zum Fenster, flehte die Welt an, kurz anzuhalten, bis sie sich wieder gesammelt habe.
    Irgendwo schrie jemand auf.
    Entweder hatte der oder die Betreffende Benjamin gesehen oder war hingefallen oder hatte einfach Lust zu schreien, und die Frau schnellte hoch.
    »Was kann das bloß sein?«, fragte Francisco, während Hugo langsam um den Tisch herumging.
    Diesmal sah sie ihn nicht an.
    »Das wird man uns schon sagen«, sagte sie und blickte an mir vorbei den Korridor hinab. »Wir bleiben, wo wir sind, dann wird man uns schon sagen, was wir tun sollen.«
    Sie hatte noch gar nicht ausgesprochen, da ertönte ein metallisches Klicken, und die Frau begriff sofort, daß dieses Klicken hier nichts zu suchen hatte; es gibt nämlich gutes Klicken und böses Klicken, und das hier gehörte zur schlimmsten Sorte.
    Sie fuhr herum und sah Hugo vor sich.
    »Lady«, sagte er und seine Augen glänzten, »Sie haben Ihre Chance vertan.«
     
    Da wären wir also.
    Sitzen da wie die Made im Speck und fühlen uns prima.
    Wir haben das Gebäude seit fünfunddreißig Minuten unter Kontrolle, und alles ist glimpflich verlaufen.
    Die marokkanischen Angestellten sind aus dem Erdgeschoß verschwunden, Hugo und Cyrus haben den ersten und zweiten Stock vom einen Ende zum anderen durchgekämmt, die Männer und Frauen die Haupttreppe hinunter und dann mit viel Geschrei und überflüssigen Kommandos wie »Marsch, marsch« und »Wird’s bald« auf die Straße gescheucht.
    Benjamin und Latifa sind im Foyer postiert, weil sie sich von dort im Ernstfall sofort auf die Rückseite des Gebäudes zurückziehen können. Aber wir haben keinen Ernstfall. Jedenfalls noch nicht.
    Die Polizei ist aufgetaucht. Erst einzelne Streifenpolizisten, dann Jeeps, schließlich ganze Wagenladungen. Scharenweise stehen sie in ihren engen Hemden vor dem Konsulat, brüllen, schaffen Fahrzeuge aus dem Weg und haben sich noch nicht festgelegt, ob sie die Straße leger überqueren sollen oder lieber geduckt und Haken schlagend, um Heckenschützen kein Ziel zu bieten. Wahrscheinlich haben sie Bernhard auf dem Dach gesehen, wissen aber nicht, wer er ist und was er dort zu suchen hat.
    Francisco und ich sitzen im Büro des Konsuls.
    Wir haben insgesamt acht Geiseln – fünf Männer und drei Frauen, die wir mit Bernhards Polizeihandschellen aneinandergekettet haben –, und wir haben uns erkundigt, ob es ihnen etwas ausmachen würde, auf dem wirklich exquisiten Kelimteppich Platz zu nehmen. Wenn jemand den Teppich verlassen sollte,

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