Bockmist
Männergruppe in einer Wagenburg aus Jeeps und Army-Lastern. Einige trugen Uniform, andere nicht.
Ich hob das Fernglas, sah Bäume und Häuser vergrößert vorbeihuschen, dann glitt Barnes über die Linse. Ich kehrte zu ihm zurück und nahm ihn wieder ins Visier, Hörer am Ohr, Fernglas vor dem Gesicht. Er winkte tatsächlich.
Ich sah mir den Rest der Gruppe an, aber eine graugestreifte Hose war nicht dabei.
»Wollte bloß mal guten Tag sagen, Tom«, meinte Barnes.
»Klar, Mann«, sagte Ricky.
Die Verbindung knisterte und knackte, während wir warteten. Ich wußte, daß er beim Warten den kürzeren ziehen würde.
»Also wie steht’s, Tom?«, fragte er schließlich. »Wann dürfen wir hier draußen mit Ihnen rechnen?«
Ich ließ das Fernglas sinken und sah Francisco, Beamon und die Geiseln an. Ich sah sie an und dachte an die anderen.
»Wir kommen nicht raus«, sagte Ricky, und Francisco nickte beifällig.
Ich sah wieder durchs Fernglas; Barnes lachte. Ich hörte es nicht, weil er den Hörer vom Kopf weghielt, aber ich sah, wie er den Kopf zurückwarf und die Zähne bleckte. Dann wandte er sich an die Umstehenden und sagte etwas, und auch von denen lachten einige.
»Na klar, Tom. Also wann …«
»Ich mein’s ernst«, sagte Ricky, aber Barnes lächelte standhaft weiter. »Egal, wer Sie sind, Ihre schmutzigen Tricks können Sie sich abschminken.«
Barnes schüttelte den Kopf und genoß meine Vorstellung.
»Sie sind vielleicht ein schlauer Fuchs«, sagte ich und sah ihn nicken. »Sie sind vielleicht ein gebildeter Mann und haben vielleicht sogar ein Graduiertenkolleg besucht.«
Sein Lächeln verblaßte etwas. So gefiel er mir schon besser.
»Aber Ihre schmutzigen Tricks können Sie sich abschminken.« Er ließ das Fernglas sinken und starrte herüber. Nicht weil er mich sehen wollte, sondern damit ich ihn sehen konnte. Sein Gesicht war versteinert. »Glauben Sie mir, Mr Graduiert.«
Wie eine Bildsäule stand er da, und seine Augen durchlaserten die zweihundert Meter zwischen uns. Dann sah ich ihn etwas rufen, und er hielt den Hörer wieder ans Ohr.
»Jetzt sperren Sie mal die Ohren auf, Sie Hornochse, es ist mir scheißegal, ob Sie da rauskommen oder nicht. Und wenn Sie rauskommen, ist es mir scheißegal, ob Sie noch laufen können oder in einem großen Plastiksack liegen oder in vielen kleinen Plastiktüten. Aber ich warne Sie, Lang …« Er preßte die Sprechmuschel an den Mund, und ich hörte seine Spucke. »Dem Fortschritt stellt man sich nicht in den Weg. Verstanden? Der Fortschritt läßt sich nämlich nicht aufhalten.«
»Klar«, sagte Ricky.
»Klar«, sagte Barnes.
Ich sah, wie er zur Seite sah und nickte.
»Schauen Sie mal rechts rüber, Lang, ‘n blauer Toyota.«
Ich tat wie befohlen, und eine Windschutzscheibe witschte durchs Fernglas. Ich richtete es darauf aus.
Naimh Murdah und Sarah Woolf saßen nebeneinander vorn im Toyota und tranken etwas Heißes aus Plastikbechern. Warteten auf den Anpfiff zum Pokalendspiel. Sarah starrte auf den Boden oder ins Leere, und Murdah begutachtete im Rückspiegel sein Gesicht. Ihm schien es zu gefallen, was er dort vorfand.
»Fortschritt, Lang«, sagte Barnes’ Stimme. »Der Fortschritt dient dem Gemeinwohl.«
Er verstummte, ich schwenkte das Fernglas wieder nach links und erwischte noch sein Lächeln.
»Hören Sie«, sagte ich und ließ meine Stimme möglichst belegt klingen, »lassen Sie mich wenigstens kurz mit ihr sprechen, ja?«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Francisco aufsetzte.
Ich mußte ihn in Sicherheit wiegen, also ließ ich den Hörer sinken und grinste ihn verlegen über die Schulter an.
»Meine Mom«, sagte ich. »Macht sich Sorgen um mich.«
Darüber lachten wir beide.
Ich sah wieder durchs Fernglas. Barnes war zum Toyota gegangen. Im Wagen hielt Sarah den Hörer ans Ohr. Murdah hatte sich zu ihr gedreht und beobachtete sie.
»Thomas?«, sagte sie. Ihre Stimme war leise und rauh.
»Hi«, sagte ich.
Dann legten wir eine Pause ein und tauschten durch die knisternde Leitung so manch interessanten Gedanken aus. Schließlich sagte sie: »Ich warte auf dich.«
Das wollte ich hören.
Murdah sagte etwas, aber das bekam ich nicht mit, und dann griff Barnes durchs Fenster und nahm Sarah den Hörer weg.
»Dafür ist jetzt keine Zeit, Tom. Sie können noch reden, soviel Sie wollen, wenn Sie da raus sind.« Er lächelte. »Also, wollen Sie jetzt noch irgendwas loswerden, Thomas? Ein einziges Wörtchen? Ja oder nein
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