Bockmist
haben wir ihnen erklärt, gehe er das Risiko ein, von Francisco oder mir mit Hilfe eines Paars Steyr-Maschinenpistolen, die wir vorsichtshalber mitgebracht haben, totgeschossen zu werden.
Nur beim Konsul machen wir eine Ausnahme, wir sind schließlich keine Tiere – wir haben ein Gespür für Rang und Protokoll und möchten nicht, daß sich ein bedeutender Mann im Schneidersitz auf den Fußboden setzen muß –, außerdem muß er das Telefon bedienen.
Benjamin hat die Verbindungsstelle manipuliert und uns versichert, daß alle Anrufer, egal, zu welchem Konsulatsapparat sie wollen, in diesem Büro landen.
Mr James Beamon, der ordnungsgemäß bestellte Repräsentant der Regierung der Vereinigten Staaten in Casablanca, der auf marokkanischem Boden nur noch den Botschafter in Rabat über sich hat, sitzt jetzt also an seinem Schreibtisch, läßt Francisco nicht aus den Augen und fragt sich, wie er ihn nehmen muß.
Wie unsere Nachforschungen ergeben haben, ist Beamon Berufsdiplomat. Er ist keineswegs der pensionierte Schuhvertreter, den man auf einem solchen Posten erwarten würde – ein Mann, der der Wahlkampfkasse des Präsidenten fünfzig Millionen Dollar gespendet hat und dafür mit einem überdimensionierten Schreibtisch und dreihundert Gratismahlzeiten im Jahr belohnt wird. Beamon ist Ende fünfzig, groß, massiv gebaut und von rascher Auffassungsgabe. Er wird in dieser Situation behutsam und verantwortungsbewußt handeln.
Und genau das brauchen wir.
»Was ist mit Toilettengängen?«, möchte er wissen.
»Eine Person alle halbe Stunde«, antwortet Francisco. »Die Reihenfolge legen Sie fest, einer von uns geht mit, Sie schließen nicht ab.« Francisco tritt ans Fenster und sieht auf die Straße. Dann schaut er durch ein Fernglas.
Ich sehe auf die Uhr. Zehn Uhr einundvierzig.
Sie werden im Morgengrauen kommen, sage ich mir. Wie es alle Angreifer gehalten haben, seit das Angreifen erfunden wurde.
Im Morgengrauen. Wenn Müdigkeit, Hunger, Langeweile und Furcht uns übermannt haben.
Sie werden im Morgengrauen kommen, und sie werden von Osten aus der Sonne kommen.
Um elf Uhr zwanzig wollte der erste Anrufer den Konsul sprechen.
Wafiq Hassan, der Polizeipräsident, stellte sich Francisco vor und begrüßte dann Beamon. Er hatte nichts Besonderes zu vermelden, drang lediglich darauf, man möge sich umsichtig verhalten und die Angelegenheit gütlich klären. Hinterher lobte Francisco sein gutes Englisch, und Beamon sagte, er sei vorgestern bei Hassan zum Abendessen gewesen. Sie hätten sich darüber unterhalten, wie ruhig es in Casablanca sei.
Um elf Uhr vierzig meldete sich die Presse. Tue ihnen ja leid, uns zu stören, aber ob wir nicht eine Erklärung abgeben wollten. Francisco buchstabierte zweimal seinen Namen und sagte, die schriftliche Erklärung würden wir dem Repräsentanten von CNN zukommen lassen, sobald der hier eintreffe.
Fünf vor zwölf klingelte es wieder. Beamon hob ab und sagte, dazu könne er sich momentan nicht äußern, aber sein Gesprächspartner möge es doch morgen oder übermorgen noch einmal versuchen. Francisco nahm ihm den Hörer ab, hörte einige Sekunden zu und prustete dann los: Ein Tourist aus North Carolina wollte wissen, ob das Konsulat die Trinkwasserqualität im Regency Hotel garantieren könne.
Darüber mußte sogar Beamon schmunzeln.
Um vierzehn Uhr fünfzehn schickte man uns ein Mittagessen, Hammeleintopf mit Gemüse und einen großen Topf Kuskus. Benjamin nahm oben an der Treppe alles entgegen, während Latifa an der Tür nervös mit ihrer Uzi herumfuchtelte.
Cyrus fand irgendwo Pappteller, aber kein Besteck, also ließen wir die Mahlzeit abkühlen, bis wir mit den Fingern essen konnten.
In Anbetracht der Umstände schmeckte es prima.
Um fünfzehn Uhr zehn hörten wir die Laster anspringen, und Francisco lief ans Fenster.
Wir sahen zu, wie die Polizeifahrer zurücksetzten und Getriebe aufjaulen ließen, hin und her rangierten und das Wenden in zehn Zügen probten.
»Warum fahren die?«, sagte Francisco, während er durchs Fernglas linste.
Ich zuckte die Achseln.
»Verkehrspolizei?«
Er sah mich gereizt an.
»Scheiße, woher soll ich’n das wissen?«, meinte ich. »Dann fahren sie eben. Vielleicht wollen sie auch nur Krach machen, während sie ‘nen Tunnel graben. Wir können jedenfalls nichts dran ändern.«
Francisco überlegte einen Augenblick lang, dann ging er zum Schreibtisch. Er hob den Telefonhörer ab und wählte die Nummer vom Foyer.
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