Bockmist
»ich nehme an, dir ist bekannt, daß McCluskey Woolf ist.« Das nahm ich natürlich nicht an. Ich wollte bloß tüchtig klingen. Nach Solomons Gesichtsausdruck zu urteilen, war es ihm nicht bekannt gewesen, und ich fuhr fort: »Ich hab’ McCluskey zur Galerie verfolgt, weil ich dachte, vielleicht will er Sarah dort etwas Unerfreuliches antun. Ich hab’ ihm einen Tritt in die Magengrube verpaßt, bin von Sarah angeschossen worden und krieg’ zu hören, der Magengrubenbesitzer sei ihr Vater, Alexander Woolf.«
Solomon nickte bedächtig, wie es seine Art war, wenn er abgefahrene Sachen hörte.
Schließlich sagte er: »Ihr hingegen hieltet ihn für den Mann, der Euch Geld geboten hatte, um Alexander Woolf umzubringen.«
»Genau.«
»Und Ihr nahmt an, Master, wie es in Eurer Lage sicherlich ein jeder getan hätte, daß ein Mann, der Euch bittet, einen anderen zu töten, sich am Ende nicht als dieser andere herausstellt.«
»Auf dem Planeten Erde pflegen wir das nur in den seltensten Fällen so zu handhaben.«
»Hmm.« Solomon war ans Fenster getreten und schien vom Post Office Tower ganz in den Bann gezogen.
»Das ist alles, ja?«, fragte ich. »›Hmm‹? Der Bericht des Verteidigungsministeriums wird aus einem ›Hmm‹ bestehen, mit Ledereinband, Goldsiegel und vom Kabinett unterzeichnet?«
Solomon antwortete nicht, sondern starrte nur weiter den Post Office Tower an.
»Also«, sagte ich, »erzähl: Was wurde aus Vater und Tochter Woolf? Wie bin ich hierhergekommen? Wer hat den Krankenwagen gerufen? Sind sie bei mir geblieben, bis er kam?«
»Habt Ihr schon mal in dem Restaurant da oben an der Spitze gegessen, das sich immerzu dreht und dreht …?«
»David, Herrgott noch mal …«
»Die Person, die schließlich den Krankenwagen rief, war ein Mr Terence Glass, Eigentümer der Galerie, in der Ihr angeschossen wurdet, der inzwischen eine Forderung eingereicht hat, Euer Blut auf Kosten des Ministeriums von seinem Boden entfernen zu lassen.«
»Ich bin gerührt.«
»Euer Leben verdankt Ihr allerdings Green und Baker.«
»Green und Baker?«
»Haben Euch lange verfolgt. Baker hat Eure Blutung mit einem Taschentuch gestoppt.«
Ich war schockiert. Nach der Sause mit Solomon hatte ich angenommen, meine beiden Schatten wären abberufen worden. Ich hatte geschlampt. Gott sei Dank.
»Ein Hoch auf Mr Baker!«, sagte ich.
Solomon wollte mir, wie es schien, noch mehr erzählen, aber die Tür ging auf und unterbrach ihn. O’Neal kam hereingestürzt. Er trat sofort ans Bett, und ich sah ihm an, daß er meine Schußverletzung für eine entzückende Wende der Dinge hielt.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte er und schaffte es fast, sich das Lächeln zu verkneifen.
»Sehr gut, danke der Nachfrage, Mr O’Neal.«
Er zögerte und sah etwas enttäuscht aus.
»Soweit ich weiß, haben Sie Schwein gehabt, daß Sie nicht draufgegangen sind«, sagte er dann. »Aber ab sofort werden Sie sich wahrscheinlich wünschen, Sie wären dabei draufgegangen.« Das gefiel ihm. Ich stellte mir vor, wie er den Satz im Fahrstuhl einstudiert hatte. »Das war’s dann ja wohl, Mr Lang. Ich glaube nicht, daß wir diesen Vorfall noch vor der Polizei verbergen können. Sie haben eindeutig und vor Zeugen einen Anschlag auf Woolfs Leben unternommen …«
O’Neal stockte, und wir beide sahen uns in Bodenhöhe im Zimmer um, weil wir definitiv einen Hund gehört hatten, der sich erbrach. Dann hörten wir es wieder und merkten, daß es von Solomon stammte, der sich räusperte.
»Mit Verlaub, Mr O’Neal«, sagte Solomon, als er unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. »Lang handelte aus der Annahme heraus, der Mann, den er angriff, sei in Wirklichkeit McCluskey.«
O’Neal schloß die Augen.
»McCluskey? Woolf wurde identifiziert, er wurde von …«
»Ja, gewiß«, sagte Solomon begütigend. »Aber Lang versichert, Woolf und McCluskey seien ein und dieselbe Person.«
Langes Schweigen.
»Wie bitte?«, sagte O’Neal.
Das überlegene Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden, und plötzlich wäre ich am liebsten aus dem Bett gesprungen.
O’Neal schnaubte kurz und verächtlich. »McCluskey und Woolf sind ein und derselbe?«, hakte er nach, und seine Stimme überschlug sich fast. »Sind Sie noch ganz bei Trost?«
Solomon warf mir einen hilfesuchenden Blick zu.
»Darauf läuft es schlicht und ergreifend hinaus«, sagte ich. »Woolf ist der Mann, der in Amsterdam an mich herangetreten ist und mir den Auftrag erteilen wollte,
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