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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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taten zu weh. Magen und Brustkorb bekamen eine Zwei minus, und der rechte Arm fiel ganz durch. Rührte sich überhaupt nicht. Der linke allerdings auch nicht, obwohl ich die Hand etwas bewegen konnte. Und da wußte ich, daß ich nicht auf der William-Hoyle-Station lag. Man mag sich in den Krankenhäusern des National Health Service heutzutage ja manchmal mit Provisorien behelfen, aber selbst dort werden Patienten nur dann ans Bett gefesselt, wenn man gute Gründe dafür hat. Hals und Kopf verschob ich bis auf weiteres und schlief so tief und fest, wie das mit sieben Eiern geht.
     
    Das Gesicht war wieder da, straffer als je zuvor. Diesmal kaute es, und die Wangen-und Halsmuskeln standen vor wie Illustrationen in einem Anatomie-Atlas. Es hatte Krümel am Mund, und ab und zu schoß eine kreischrosa Zunge heraus und verschleppte welche in die Mundhöhle. »Lang?« Jetzt hatte die Zunge im Mund zu tun, fuhr am Zahnfleisch entlang und stülpte die Lippen vor, so daß ich einen Augenblick lang dachte, das Gesicht wollte mich küssen. Ich ließ es warten.
    »Wo bin ich?« Erfreut hörte ich, daß meine Stimme ein überzeugend krankes Krächzen hatte.
    »Ja«, sagte das Gesicht. Hätte es genug Haut gehabt, dachte ich, dann hätte es vielleicht gelächelt. Statt dessen entfernte es sich von meinem Lager, und ich hörte eine Tür aufgehen. Aber sie schloß sich nicht.
    »Er ist wach«, sagte dieselbe Stimme ziemlich laut, und die Tür schloß sich noch immer nicht. Also beherrschten die Herrscher des Zimmers auch den Flur. Wenn es ein Flur war. Es konnte genausogut die Abschußrampe eines Spaceshuttle sein. Vielleicht lag ich in einem Shuttle und sollte die Welt weit hinter mir lassen.
    Schritte. Zwei Mann. Einmal Gummi-und einmal Ledersohlen. Kein Teppich. Lederschritte sind langsamer. Leder ist der Boss. Gummi ist der Lakai, hält Leder die Tür auf und läßt ihm den Vortritt. Gummi ist das Gesicht von eben. Gummigesicht. Leicht zu behalten.
    »Mr Lang?« Leder blieb am Bett stehen. Wenn es ein Bett war. Ich hielt die Augen geschlossen, das Gesicht leicht schmerzverzerrt.
    »Wie geht es Ihnen?« Amerikaner. Hab’ im Moment ständig mit Amerikanern zu tun. Muß am Wechselkurs liegen.
    Er ging um das Bett herum, und ich hörte den Staub unter seinen Schuhen knirschen. Roch sein Aftershave. Viel zu stark. Sollten wir Freunde werden, würd’ ich’s ihm sagen. Jetzt noch nicht. »Als Kind wollt’ ich immer ein Motorrad haben«, sagte die Stimme, »‘ne Harley. Mein Dad hat gesagt, die wären zu gefährlich. Als ich dann den Führerschein hatte, hab’ ich im ersten Jahr vier Unfälle mit seinem Wagen gebaut, bloß um ihm eins auszuwischen. Mein Dad war ein Kotzbrocken.«
    Die Zeit verging. Dagegen ließ sich nichts machen. »Ich glaube, mein Genick ist angebrochen«, sagte ich. Ich hatte die Augen weiterhin geschlossen, und das Krächzen kam sehr überzeugend.
    »Echt? Tut mir ja so leid. Jetzt erzählen Sie mir mal ein paar Takte, Lang. Wer sind Sie? Was machen Sie? Gehen Sie gern ins Kino? Lieblingsbücher? Waren Sie schon mal bei der Queen zum Tee? Reden Sie schon.«
    Ich wartete, bis sich die Schuhe abwandten, und öffnete langsam die Augen. Er war nicht in meinem Blickfeld, also sah ich an die Decke.
    »Sind Sie Arzt?«
    »Nein, Lang, ich bin kein Arzt«, sagte er. »Ich bin ganz bestimmt kein Arzt. Ein Sackgesicht, das bin ich.« Irgendwo im Zimmer kicherte einer, und ich dachte, daß Gummigesicht wohl noch an der Tür stand.
    »Wie bitte?«
    »Ein Sackgesicht. Das bin ich. Das ist mein Beruf, und das ist mein Leben. Aber hey, reden wir doch mal von Ihnen.«
    »Ich brauche einen Arzt«, sagte ich. »Mein Genick …« Tränen schossen mir in die Augen, und ich ließ sie rollen. Ich schnüffelte ein bißchen, verschluckte mich ein bißchen und legte eine klasse Show hin, auch wenn Eigenlob stinkt.
    »Soll ich Ihnen mal was sagen?«, fragte die Stimme. »Ihr Genick ist mir absolut scheißegal.«
    Ich beschloß, ihm nichts von seinem Aftershave zu erzählen. Niemals.
    »Mich interessiert ganz was anderes«, sagte die Stimme. »Und zwar eine ganze Menge ganz was anderes.«
    Die Tränen liefen weiter.
    »Hören Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind oder wo ich bin …« Ich stockte und versuchte, den Kopf vom Kissen zu heben.
    »Verpiß dich, Richie«, sagte die Stimme. »Vertritt dir mal die Beine.«
    Aus der Nähe der Tür kam ein Grunzen, und zwei Schuhe verließen das Zimmer. Ich durfte annehmen, daß Richie in ihnen

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