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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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irgendwie kam mir das nicht sonderlich plausibel vor, außerdem hätte sie die Zunge dann doch wohl zurückgezogen, sobald sie ihr Gleichgewicht wiederhatte, oder?
    Nein, zweifellos, sie küßte mich. Genau wie im Kino. Und genau wie nicht in meinem Leben. Ein paar Sekunden lang war ich viel zu überrascht und viel zu sehr aus der Übung, um zu wissen, was jetzt not tat, denn es war sehr lange her, seit ich so was zum letzten Mal erlebt hatte. Hand aufs Herz, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, muß ich beim letzten Mal Olivenpflücker unter der Herrschaft Ramses III. gewesen sein, und ich weiß nicht mehr, wie ich damals reagiert habe.
    Sie schmeckte nach Zahnpasta und Wein und Parfüm und nach dem siebten Himmel an einem Sommertag.
    »Machen Sie mit?«, fragte sie erneut, und der deutlichen Aussprache entnahm ich, daß sie ihre Zunge irgendwann zurückgezogen haben mußte, obwohl ich sie noch im Mund und auf den Lippen spürte und wußte, daß ich sie dort für immer und ewig spüren würde. Ich schlug die Augen auf.
    Sie stand da und sah zu mir hoch, und ja, es war eindeutig sie. Es war kein Ober und keine Hutablage.
    »Öhm«, sagte ich.
     
    Wir saßen wieder am Tisch, und Woolf unterschrieb gerade die Kreditkartenquittung. Vielleicht geschah auch noch anderes auf der Welt, aber ich bekam es nicht mit.
    »Danke für das Essen«, sagte ich wie ein Roboter.
    Woolf machte eine abwehrende Geste und grinste.
    »Gern geschehen, Tom«, sagte er.
    Er freute sich, weil ich ja gesagt hatte. Ja wie in: Ja, ich überleg’s mir.
    Was ich mir da überlegen sollte, konnte mir anscheinend niemand so genau sagen, aber Woolf genügte es, und im Moment hatten wir alle Grund zur Zufriedenheit. Ich griff nach der Mappe und sah mir die Fotos noch einmal Stück für Stück an.
    Klein, schnell und mörderisch.
    Ich glaube, auch Sarah freute sich, obwohl sie jetzt so tat, als wäre außer einer anständigen Mahlzeit und einem netten Plausch über Gott und die Welt nichts passiert.
    Mörderisch, schnell und klein.
    Unter ihrem Gleichmut brodelte vielleicht ein Malstrom von Emotionen, und der Staudamm hielt nur, weil ihr Vater neben ihr saß.
    Klein, schnell und mörderisch.
    Ich verdrängte den Gedanken an Sarah.
    Mit jedem Bild des scheußlichen Geräts, das mir vor Augen kam, schien ich aus irgend etwas oder von irgendwo zu erwachen. Zu irgend etwas anderem oder irgendwo anders. Ich weiß, es klingt verrückt, aber die Schlichtheit dieser Maschine – ihre Häßlichkeit, ihre von allem Überflüssigen befreite Zerstörungskraft, ihre schiere Gnadenlosigkeit – schien mir von den Fotos in die Hände zu sickern und ließ mir das Blut gefrieren. Vielleicht spürte Woolf, was ich fühlte.
    »Es hat noch keinen offiziellen Namen«, sagte er und deutete auf die Bilder. »Aber es trägt die vorläufige Bezeichnung Urban Control and Law-enforcement Aircraft.«
    »UCLA wie in: University of California in Los Angeles«, sagte ich.
    »Buchstabieren können Sie auch?«, fragte Sarah mit dem Anflug eines Lächelns.
    »Daher stammt auch der Spitzname dieses Prototyps«, sagte Woolf.
    »Nämlich?«
    Ich bekam keine Antwort, sah hoch und merkte, daß Woolf mir in die Augen sehen wollte.
    »Der Graduierte«, sagte er.
     

7
     
    Ein Frauenhaar zieht mehr als hundert Ochsenpaare.
    JAMES HOWELL
     
    Aus Jux und Dollerei lenkte ich die Kawasaki über das Victoria Embankment. Um den Motor auf Touren zu bringen und meinen Grips auf Trab.
    Den Anruf bei mir zu Hause und die häßliche Amerikanerstimme am anderen Ende hatte ich den Woolfs verschwiegen. »Graduiertenkolleg« konnte alles mögliche bedeuten – sogar Graduiertenkolleg –, und auch der Anrufer konnte jeder Hans und Franz gewesen sein. Aber wenn man Verschwörungstheoretiker an den Hacken hat – und Kuß hin, Kuß her, das waren meine beiden Hübschen nun ganz eindeutig –, dann muß man ihnen ja nicht noch Extrazufälle liefern, über die sie sich aufplustern können.
    Wir hatten das Restaurant in einträchtiger Waffenruhe verlassen. Draußen auf dem Bürgersteig drückte Woolf mir den Arm und sagte, ich solle es überschlafen, woraufhin ich zusammenzuckte, denn ich hatte gerade Sarahs Hintern betrachtet. Als ich dann verstanden hatte, was er meinte, versprach ich es ihm und fragte höflich, wie ich denn mit ihm Kontakt aufnehmen könne. Er zwinkerte und meinte, er werde mich schon finden, obwohl ich darauf keinen gesteigerten Wert legte.
    Es gab natürlich einen sehr guten Grund

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