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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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Ende zwanzig, Ivy League und eine Menge auf dem Kasten. Ich merkte, daß ihm dieser rauhe Wind nicht sehr lag, und darum war er mir um so sympathischer.
    In einem hellblauen Lincoln Diplomat, den wir uns unter dreißig identischen Exemplaren auf dem Botschaftsparkplatz ausgesucht hatten, fuhren wir die Park Lane in Richtung Süden. Ich finde es eine Spur zu durchsichtig, daß Diplomaten einen Wagen namens Diplomat benutzen, aber vielleicht brauchen Amerikaner solche Hinweistafeln. Der durchschnittliche amerikanische Versicherungsvertreter gurkt wahrscheinlich in einem Etwas namens Chevrolet Versicherungsvertreter durch die Gegend. Das nimmt einem Mann wenigstens eine Entscheidung im Leben ab.
    Ich saß hinten und spielte mit den Aschenbechern, und vorn saß ein Zivilcarl neben Mike. Der Carl hatte einen Hörer im Ohr stecken, dessen Kabel im Hemd verschwand. Gott weiß, wo es hinführte.
    »Netter Kerl, dieser Mr Barnes«, sagte ich schließlich.
    Mike betrachtete mich im Rückspiegel. Der Carl drehte den Kopf zwei Zentimeter zur Seite, und nach seinem Hals zu urteilen, war mehr auch nicht drin. Ich wollte mich entschuldigen, weil ich ihn vom Hantelstemmen abhielt. »Und gut in seinem Beruf, möcht’ ich annehmen. Mr Barnes. Tüchtig.«
    Mike warf dem Carl einen Blick zu und überlegte wohl, ob er antworten sollte.
    »Mr Barnes ist in der Tat ein bemerkenswerter Mann«, sagte er.
    Ich nahm an, daß Mike Barnes haßte. Ich bin sicher, daß ich ihn gehaßt hätte, wenn er mein Chef gewesen wäre. Aber Mike war ein netter, ehrenwerter Profi, der einfach nur loyal sein wollte, und ich fand es nicht ganz fair, in Gegenwart des Carls mehr aus ihm herauszukitzeln. Also widmete ich mich dem Herumfummeln an den elektrischen Scheiben.
    Im Grunde genommen war das Auto seinen Aufgaben gar nicht gewachsen – will sagen, es hatte an den Hintertüren normale Schlösser, ich hätte also an jeder beliebigen Ampel aussteigen können. Aber das tat ich nicht, und das wollte ich auch gar nicht. Ich weiß nicht, warum, aber ich wurde plötzlich richtig ausgelassen.
    »Bemerkenswert, ja«, sagte ich. »Genau das wollte ich sagen. Äh, nein, genau das haben Sie gesagt, aber macht es Ihnen etwas aus, wenn ich es auch sage?«
    Ich amüsierte mich königlich. Und das kommt nicht oft vor.
    Wir bogen in die Piccadilly ein und fuhren zur Cork Street hoch. Mike klappte die Sonnenblende runter, hinter die er Glass’ Visitenkarte geklemmt hatte, und las die Hausnummer ab. Ich war heilfroh, daß er mich nicht danach fragte.
    Wir hielten vor Nummer 48, der Carl hatte seine Tür offen und war aus dem Wagen raus, bevor wir noch ganz standen. Er riß mir die Hintertür auf, und als ich ausstieg, sah er die Straße auf und ab. Ich kam mir wie ein Präsident vor.
    »48, stimmt’s?« fragte Mike.
    »Stimmt«, sagte ich.
    Ich klingelte, und wir warteten. Nach einigen Momenten erschien ein Männlein von gepflegtem Erscheinungsbild und machte sich an den Riegeln und Schlössern der Tür zu schaffen.
    »Guten Morgen, meine Herren«, sagte er. Äußerst nasale Aussprache.
    »Morgen, Vince. Wie geht’s dem Bein?«, fragte ich und betrat die Galerie.
    Der Gepflegte war viel zu sehr Engländer, um zu fragen: »Wer ist Vince? Welches Bein? Und, ganz nebenbei: Was faseln Sie da eigentlich?« Statt dessen trat er höflich lächelnd zurück und bat Mike und Carl hinter mir herein.
    Alle vier gingen wir weiter in den Laden und überflogen die Klecksereien. Sie waren richtig scheußlich. Sollte mich wundern, wenn er pro Jahr auch nur eins davon loswurde.
    »Wenn Ihnen was gefällt, kann ich Ihnen vielleicht zehn Prozent Rabatt einräumen«, meinte ich zum Carl, der ungläubig blinzelte.
    Die attraktive Blondine, diesmal in einem roten Hemdkleid, kam aus dem hinteren Teil der Galerie nach vorn und strahlte. Dann erkannte sie mich, und ihr kultiviertes Kinn sank ihr auf die noch kultiviertere Brust.
    »Wer sind Sie?« Mike wandte sich an den gepflegten Mann. Der Carl starrte die Gemälde an.
    »Ich bin Terence Glass«, sagte der Gepflegte.
    Es war ein großartiger Augenblick. Ich werde ihn nie vergessen. Da standen nun fünf Menschen, und nur Glass und ich waren imstande, den Mund zu schließen. Mike fand als erster die Sprache wieder.
    »Moment mal«, sagte er. »Sie sind Glass.« Mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck drehte er sich zu mir. Vierzig Jahre Karriere inklusive Pensionsanspruch und zahlreichen Versetzungen etwa auf die Seychellen zogen vor seinen Augen

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