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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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beim Erklärungsnotruf anzurufen, würde ich das hören. Aber durch das Kissen sollten sie mich eigentlich nicht hören.
    Als erstes klapperte ich die Wandschränke ab und versuchte herauszufinden, ob größere Teile von Sarahs Kleidern verschwunden waren. Hie und da hing ein leerer Bügel, aber sie reichten nicht für einen geregelten Aufbruch in weit entfernte Weltregionen.
    Auf der Frisierkommode wimmelte es von Tiegeln und Pinseln. Gesichtscreme, Handcreme, Nasencreme, Augencreme, ich fragte mich einen Augenblick, wie schlimm es wohl war, wenn man besoffen nach Hause kam und sich versehentlich die Hände mit Gesichtscreme oder das Gesicht mit Handcreme einrieb.
    Die Schubladen der Kommode enthielten noch mehr von dem Zeug. Sämtliche Werkzeuge und Schmiermittel, um eine moderne Formel-1-Frau in Form zu bringen. Aber nirgends ein Schnellhefter.
    Ich schob sie wieder zu und ging ins angrenzende Badezimmer. Der seidene Morgenrock, den Sarah bei unserer ersten Begegnung getragen hatte, hing an der Rückseite der Tür. Auf dem Gestell über dem Waschbecken lag eine Zahnbürste.
    Ich ging ins Schlafzimmer zurück und sah mich um, hoffte auf irgendein Zeichen. Also, kein direktes Zeichen – ich erwartete keine mit Lippenstift auf den Spiegel geschmierte Adresse –, aber irgend etwas hatte ich erhofft, etwas, was da sein sollte und nicht da war, oder was nicht da war, obwohl es da sein sollte. Aber es gab kein Zeichen, und trotzdem stimmte etwas nicht. Ich stand mitten im Zimmer und lauschte eine Weile, bevor ich merkte, was es war.
    Ich konnte die Lämmer nicht hören. Das stimmte nicht. Die mußten sich doch allerlei zu sagen haben. Schließlich war ich Dalloway, und Dalloway war eben erst in ihr Leben getreten; sie hätten sich über mich unterhalten sollen.
    Ich trat ans Fenster und sah auf die Straße hinunter. Die Tür vom Ford stand offen, und es mußte das Bein vom Whiskylamm sein, das da herausragte. Er war am Funkgerät zugange. Ich holte den Telefonhörer vom Bett, legte ihn auf die Gabel zurück und zog dabei in Gedanken die Schublade vom Nachttischchen auf. Es war eine kleine Schublade, aber sie schien mehr zu enthalten als das restliche Zimmer. Ich wühlte zwischen Packungen mit Tempotaschentüchern, Wattebäuschchen, Tempotaschentüchern, Nagelscheren, einer nur halb verzehrten Tafel Suchard-Schokolade, Tempotaschentüchern, Stiften, Pinzetten, Tempotaschentüchern, Tempotaschentüchern – essen Frauen diese blöden Dinger oder was? – , und schließlich fand ich ganz unten in der Schublade ein schweres, in ein Stück Sämischleder eingewickeltes Bündel, das sich ein Nest aus Tempotaschentüchern gebaut hatte. Sarahs bezaubernde kleine Walther TPH. Ich ließ das Magazin herausschnellen und kontrollierte den Spalt an der Seite. Voll.
    Ich schob die Pistole in die Tasche, gönnte mir noch einen tiefen Zug Nina Ricci und ging.
     
    An der Lämmerfront hatte sich die Lage grundlegend geändert, seit ich das letzte Mal mit den beiden gesprochen hatte. Eine deutliche Wende zum Schlechteren. Die Haustür stand offen, Micky lehnte neben ihr an der Wand, hatte die rechte Hand in die Hosentasche geschoben, und Whisky sah ich draußen auf der Treppe, wie er die Straße auf und ab sah. Als er mich aus dem ersten Stock herabkommen hörte, drehte er sich um.
    »Nichts«, sagte ich, bevor mir einfiel, daß ich einen Amerikaner spielte. »Nicht die beschissenste Kleinigkeit. Mach die Tür zu, ja?«
    »Zwei Fragen«, sagte Micky.
    »Ach ja?«, fragte ich. »Mach’s kurz.«
    »Wer zum Teufel ist Dave Carter?«
    Ich fand, es hatte nicht viel Sinn, ihm zu erklären, daß Dave Carter in der Schule der Juniorenmeister bei den Fives geworden war und später bei seinem Vater in der Firma für Elektrotechnik in Hove gearbeitet hatte. Also sagte ich: »Und die zweite Frage?«
    Micky warf Whisky, der in den Hauseingang getreten war und mir perfekt den Fluchtweg verbaute, einen Blick zu.
    »Wer zum Teufel bist du?«
    »Dalloway«, sagte ich, »soll ich’s dir vielleicht aufschreiben? Verdammt, was ist denn plötzlich los mit euch?« Ich schob die rechte Hand in die Hosentasche und sah, daß Micky meinem Beispiel folgte. Falls er sich entschloß, mich umzubringen, würde ich den Schuß nicht einmal hören. Immerhin, ich hatte es geschafft, die Hand in die rechte Hosentasche zu schieben.
    Zu dumm, daß die Walther in der linken steckte. Langsam zog ich die Hand zur Faust geballt wieder heraus. Mickys Augen folgten meinen

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