Bockmist
Watschenmann gemacht wurde.
»Hör zu, es tut mir leid«, sagte ich. »Ich hab’ das nicht so gemeint.«
»Ich kann doch nichts dafür, daß ich so spreche, Thomas«, sagte sie. »Oder daß ich so aussehe.« Sie kippte einen Schluck Wodka und drehte mir den Rücken zu.
»Was solltest du auch dafür können? Du hörst dich klasse an und siehst noch besser aus.«
»Ach, halt den Schnabel.«
»Sofort«, sagte ich. »Aber warum wirst du gleich so sauer?«
Sie seufzte und setzte sich wieder.
»Weil ich’s satt habe, darum. Die Hälfte der Leute, mit denen ich zu tun habe, nimmt mich nicht ernst, weil ich so rede, und die andere Hälfte nimmt mich nur ernst, weil ich so rede.
Das kann einem ganz schön auf die Nerven gehen.«
»Also, ich weiß, daß das schmierig klingt, aber ich nehme dich ernst.«
»Ehrlich?«
»Natürlich. Unglaublich ernst.« Ich wartete einen Augenblick. »Mir doch scheißegal, daß du ‘ne affektierte Schnepfe bist.«
Sie sah mich so lange an, daß ich Angst bekam, ich hätte was Falsches gesagt und sie würde mich gleich mit irgendwelchen Gegenständen bewerfen. Aber dann lachte sie plötzlich, schüttelte den Kopf, und mir fiel ein Stein vom Herzen. Ihr hoffentlich auch.
Gegen sechs klingelte das Telefon, und an der Art, wie Ronnie den Hörer hielt, merkte ich, daß ihr Freund dran war und seine Ankunftszeit bekanntgab. Sie starrte auf den Boden und sagte immerzu nur »Ja«, entweder weil ich zuhörte oder weil ihre Beziehung eben dieses Stadium erreicht hatte. Ich griff mir meine Jacke und brachte das Glas in die Küche. Ich spülte und trocknete es ab, falls sie das vergessen sollte. Als ich es grad in den Schrank stellen wollte, kam Ronnie rein.
»Rufst du mal an?« Sie wirkte traurig. Ich vielleicht auch.
»Und ob«, sagte ich.
Als ich ging, hackte sie Zwiebeln für den heimkehrenden Warenterminbroker. Ich zog die Wohnungstür hinter mir ins Schloß. Ihre Vereinbarung schien darauf hinauszulaufen, daß sie abends für ihn kochte und er ihr Frühstück machte. Da Ronnie auf mich den Eindruck machte, als wären ein paar Grapefruitschnitze für sie schon eine große Schlemmerei, fürchtete ich, daß sie dabei den kürzeren gezogen hatte.
Männer. Also ehrlich.
Ein Taxi brachte mich über die King’s Road ins West End, und um halb sieben trieb ich mich vor dem Verteidigungsministerium herum. Ein paar Polizisten beobachteten argwöhnisch mein Hin-und Herlaufen, aber ich hatte mich mit Stadtplan und Polaroid bewaffnet und schoß so dusselige Taubenfotos, daß sie beruhigt waren. Der Verkäufer war mißtrauischer gewesen, als ich einen Stadtplan verlangt und hinzugefügt hatte, von welcher Stadt sei egal.
Ansonsten hatte ich mich auf den Trip nicht weiter vorbereitet, und als allerletztes wollte ich mich mit meiner Stimme ins Telefonnetz des Ministeriums einloggen. Ich setzte darauf, daß ich mit meiner Einschätzung richtig lag und O’Neal ein Streber war, und nach den Erfahrungen meines ersten Aufklärungseinsatzes stimmte das auch. Siebter Stock, Eckbüro, und O’Neal arbeitete bis in die Puppen. Die vorgeschriebenen Tüllgardinen, die vor den Fenstern aller »neuralgischen« Regierungsgebäude hängen, verwehren Teleobjektiven vielleicht den Einblick, aber sie können nicht verhindern, daß Licht auf die Straße fällt.
Es war einmal, in den Tagen der kalten Kriegsbegeisterung, da hatte ein Trottel aus einer höheren Sicherheitszentrale angeordnet, alle »verwundbaren« Büros sollten rund um die Uhr ihr Licht anlassen, damit feindliche Agenten keine Rückschlüsse darauf ziehen könnten, wer wo wie lange arbeitete. Die Idee wurde zunächst mit Kopfnicken und Schulterklopfen und manch einem »Also dieser Carruthers wird es noch weit bringen, das kann ich Ihnen flüstern« aufgegriffen – bis die ersten Stromrechnungen bei den verantwortlichen Rechnungshöfen auf die Matte flatterten, woraufhin man der Idee und Carruthers eilends zeigte, wo der Zimmermann das Loch gelassen hatte.
Um zehn nach sieben verließ O’Neal das Ministerium durch den Haupteingang. Er nickte dem Wachposten zu, der keine Reaktion zeigte, und trat in Whitehalls Abenddämmerung hinaus. Er hatte komischerweise eine Aktentasche dabei – niemand hätte ihn aus dem Gebäude gelassen, wenn er Wichtigeres als ein paar Blatt Klopapier dabeigehabt hätte –, vielleicht gehörte er also zu diesen schrägen Vögeln, für die eine Aktentasche nur ein Requisit ist. Man kann ja nie wissen.
Ich blieb
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