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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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»Beim Auftreffen entlädt dieses Geschoß fünfundneunzig Prozent seiner Energie auf das Ziel. Keine Durchschüsse, keine Querschläger, bloß Zerstörung in Hülle und Fülle.« Er unterbrach sich und trank einen Schluck Whisky. »Ganz, ganz große Löcher im Körper.«
    Wir müssen eine ganze Zeit so verharrt haben. Barnes kostete den Whisky, ich kostete das Leben. Ich merkte, daß ich schwitzte, und meine Schulterblätter fingen zu zittern an.
    »Na gut«, sagte ich. »Dann bring’ ich Sie eben ein andermal um.«
    »Das hört man doch gern«, sagte Barnes nach einer langen Pause, aber der Colt blieb, wo er war.
    »Mir große Löcher zu verpassen, hilft Ihnen auch nicht weiter.«
    »Tut mir aber auch nicht weiter weh.«
    »Ich muß mit ihr reden, Barnes«, sagte ich. »Ihretwegen bin ich hier. Wenn ich nicht mit ihr reden kann, hat das alles keinen Sinn.«
    Weitere hundert Jahre vergingen, und ich fragte mich, warum Barnes eigentlich lächelte. Ich wußte weder warum, noch wann er damit angefangen hatte. Es war wie im Kino vor dem Hauptfilm, wenn man sich fragt, ob die Lichter wirklich endlich ausgehen.
    Und dann traf es mich. Streichelte mich, genauer gesagt. Nina Riccis Fleur de Fleurs, ein ppm.
     
    Wir saßen unten am Fluß. Nur wir beide. Irgendwo patrouillierten die Carls, aber Barnes hatte ihnen Anweisung gegeben, auf Abstand zu bleiben, und daran hielten sie sich. Der Mond stand am Himmel, sein silbernes Licht lag über dem Fluß und ließ Sarahs Gesicht in milchigem Glanz aufleuchten.
    Sie sah erschreckend und bildschön aus. Sie hatte Gewicht verloren und mehr geweint, als gut für sie war. Sie hatte erst vor zwölf Stunden erfahren, daß ihr Vater tot war, und im Augenblick wünschte ich mir bloß, sie in den Arm zu nehmen. Aber das hätte alles verdorben. Ich weiß nicht, warum.
    Wir saßen schweigend nebeneinander und sahen aufs Wasser hinaus. Auf den Kajütbooten waren die Lichter gelöscht worden, und auch die Enten hatten sich längst zur Ruhe begeben. Auf beiden Seiten der Mondlichtbahn stand der Fluß schwarz und stumm.
    »Also«, sagte sie.
    »Ja«, sagte ich.
    Wieder langes Schweigen, während wir überlegten, was es zu besprechen gab. Es war wie eine große Zementkugel, die man unbedingt hochheben muß. Man kann um sie herumgehen und sie sich von allen Seiten ansehen, nur ein Griff ist nirgends zu finden.
    Sarah ergriff die Initiative.
    »Mal ehrlich. Sie haben uns kein Wort geglaubt, stimmt’s?«
    Sie lachte fast, also hätte ich fast geantwortet, sie habe mir ja auch nicht geglaubt, daß ich ihren Vater nicht umbringen wollte. Ich konnte es gerade noch runterschlucken.
    »Stimmt, hab’ ich nicht«, sagte ich.
    »Sie haben das Ganze für eine Posse gehalten. Zwei durchgedrehte Amerikaner, die nachts Gespenster sehen.«
    »So in etwa.«
    Sie fing wieder an zu weinen, und ich saß da und wartete das Ende des Unwetters ab. Dann zündete ich zwei Zigaretten an und gab ihr die eine. Sie sog heftig daran und schnippte alle paar Sekunden nicht vorhandene Asche in den Fluß. Ich beobachtete sie, ohne es mir anmerken zu lassen.
    »Sarah«, sagte ich. »Es tut mir sehr leid. Das Ganze. Was passiert ist. Und Sie tun mir leid. Ich würde …« Mir fiel beim besten Willen nicht ein, was ich sagen wollte. Ich hatte bloß das Gefühl, ich müßte irgend etwas sagen. »Ich würde das gern irgendwie in Ordnung bringen. Ich meine, ich weiß, daß Ihr Vater …«
    Sie sah mich an und lächelte, als wollte sie sagen, ich solle mir keine Sorgen machen.
    »Aber es gibt immer noch die Wahl«, blubberte ich weiter, »zwischen richtigem und falschem Handeln, egal, was passiert ist. Und ich möchte das Richtige tun. Verstehen Sie das?«
    Sie nickte, was ich verdammt nett von ihr fand, denn ich hatte keine Ahnung, worauf ich hinauswollte. Ich hatte zuviel zu sagen und zuwenig Hirn, um es vorher zu sortieren. Mein Kopf glich einem Paketschalter drei Tage vor Weihnachten.
    Sie seufzte.
    »Er war ein guter Mann, Thomas.«
    Was sollte man dazu sagen?
    »Ganz bestimmt«, sagte ich. »Ich mochte ihn.« Was ja auch stimmte.
    »Bis vor einem Jahr war mir das gar nicht klar«, sagte sie. »Bei den eigenen Eltern fragt man sich das irgendwie nicht, oder? Ob sie gut oder böse sind. Sie sind eben einfach da.« Sie stockte. »Bis sie nicht mehr da sind.«
    Wir starrten eine Weile aufs Wasser hinaus.
    »Leben Ihre Eltern noch?«
    »Nein«, sagte ich. »Mein Vater starb, als ich dreizehn war. Herzinfarkt. Und meine Mutter vor

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