Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
Vom Netzwerk:
und gut und summte fröhlich vor sich hin wie ein Mann, der gerade im Lotto gewonnen hat.
     
    Der Wenzelsplatz gehört zum Schönsten, was ich je in irgendeiner Stadt gesehen habe. Er ist gar kein Platz, sondern ein breiter Boulevard, der von der Anhöhe des riesigen, alles überragenden Nationalmuseums in die Altstadt hinabführt. Auch wenn ich gar nichts über die Stadt gewußt hätte, hier wäre mir aufgegangen, wieviel Bedeutung er hat. Auf einem Kilometer graugelben Steins hatte sich kübelweise alte und neue Geschichte ereignet, und das roch man heute noch. L’air du temps de Praha. Prager Frühlinge, Sommer, Herbste und Winter waren ins Land gegangen und würden wohl wiederkommen.
    Als der Fahrer sagte, wieviel Geld er haben wollte, brauchte ich einige Zeit für die Erklärung, daß ich sein Taxi nicht kaufen, sondern nur die viertelstündige Fahrt bezahlen wolle. Er sagte, das sei ein Limousinenservice, oder jedenfalls sagte er »Limousine«, und zuckte immerzu mit den Schultern, aber schließlich war er bereit, seine Forderungen auf das nur noch Astronomische zu reduzieren. Ich zerrte meine Tasche aus dem Wagen und machte mich auf den Weg.
     
    Die Amerikaner hatten gesagt, ich solle mir selbst eine Bleibe suchen, und die beste Methode, wie ein Mann auszusehen, der seit Ewigkeiten nach einer Unterkunft sucht, besteht darin, Ewigkeiten nach einer Unterkunft zu suchen. Also setzte ich mich in Trab und tourte in rund zwei Stunden in Prag I herum, dem ältesten Bezirk der Altstadt. Sechsundzwanzig Kirchen, vierzehn Galerien und Museen, eine Oper – wo der junge Mozart den Don Giovanni uraufgeführt hatte –, acht Theater und ein McDonald’s. Vor einem dieser Gebäude stand eine fünfzig Meter lange Schlange.
    Ich machte in einigen Kneipen Station, um Lokalkolorit aufzunehmen, das in großen geraden Gläsern serviert wurde, auf denen Budweiser stand. Außerdem wollte ich wissen, wie der moderne Tscheche leibt und lebt, was er anzieht und woran er sich ergötzt. Die meisten Kellner hielten mich für einen Deutschen, ein leicht verzeihlicher Irrtum, denn die Stadt war voll von denen. Sie reisten in Zwölfergruppen, mit Rucksäcken und dicken Schenkeln und nahmen beim Gehen die gesamte Straßenbreite ein. Aber für die meisten Deutschen ist Prag mit einem schnellen Panzer ja nur ein paar Stunden weg, da ist es nicht weiter verwunderlich, wenn sie die Stadt wie ihren Vorgarten behandeln.
    In einem Café am Fluß bestellte ich Eisbein mit Knödeln, folgte danach der Empfehlung eines walisischen Paars vom Nebentisch und spazierte über die Karlsbrücke. Mr und Mrs Wales schworen, sie habe eine sensationelle Konstruktion, aber ich verdanke es Tausenden von Straßenmusikanten, die sich auf jedem Quadratmeter Brüstung breitmachten und Songs von Bob Dylan sangen, daß ich davon nichts zu Gesicht bekommen habe.
    Schließlich nahm ich im Zlata Praha Logis, einer schmuddeligen Pension in Burgnähe auf dem Berg. Die Wirtin ließ mir die Wahl zwischen einem großen schmutzigen Zimmer und einem kleinen sauberen, und ich nahm das große schmutzige, weil ich dachte, putzen könnte ich ja selber. Als sie weg war, merkte ich, wie idiotisch das war. Ich habe selbst die eigene Wohnung nie geputzt.
    Ich packte die Tasche aus, legte mich aufs Bett und rauchte. Ich dachte an Sarah, an ihren Vater und an Barnes. Ich dachte an meine Eltern, an Ronnie, Helikopter, Motorräder, Deutsche und Hamburger bei McDonald’s.
    Ich dachte an allerlei.
     
    Gegen acht wachte ich auf und lauschte den Geräuschen der Stadt, die sich aufraffte und sich zur Arbeit schleppte. Der einzige mir unbekannte Lärm stammte von den Straßenbahnen, die durch die Pflasterstraßen und über die Brücken rumpelten und zischten. Ich überlegte, ob ich das Hawaiihemd anbehalten sollte oder nicht.
    Um neun stand ich auf dem Marktplatz und wurde von einem kleinen, schnurrbärtigen Mann belästigt, der mir eine Stadtrundfahrt in einer Pferdekutsche aufschwatzen wollte. Wahrscheinlich sollte mich die putzige Authentizität seines Fahrzeugs rumkriegen, aber schon auf den ersten Blick sah es der unteren Hälfte eines kleinen Jeeps ähnlich, bei dem der Motor entfernt und die Scheinwerfer durch eine Deichsel ersetzt worden waren. Ich sagte zwölfmal »Nein danke« und einmal »Verpiß dich«.
    Ich suchte nach einem Café mit Coca-Cola-Sonnenschirmen über den Tischen. Das hatten sie mir eingetrichtert. Tom, wenn du auf den Platz kommst, siehst du ein Café mit

Weitere Kostenlose Bücher