Bockmist
jemals einem anderen Menschen vorspielen würde. Ein Steuerberater hatte mir erklärt, der Kauf sei eine günstige Gelegenheit, weil ein Diktaphon steuerlich absetzbar sei. Aber da ich keine Steuern zahlte, kein Diktaphon brauchte und dem Steuerberater über keinen Feldweg traute, betrachtete ich den Apparat als eine meiner unvernünftigeren Anschaffungen.
Weiter im Text.
»Lang begibt sich in der Absicht zu Woolfs Haus, ihn über womöglich bevorstehende Mordversuche in Kenntnis zu setzen. Woolf abwesend. Lang beschließt, eine Untersuchung einzuleiten.«
Ich stockte einen Augenblick, und der Augenblick blickte immer länger, also trank ich noch etwas Whisky und legte das Diktaphon beiseite, während ich überlegte.
Die von mir eingeleitete Untersuchung war nicht über das Wörtchen »Was« hinausgekommen – und auch das hatte ich kaum ausgesprochen, als Rayner mir schon einen Stuhl über den Schädel drosch. Ansonsten hatte ich lediglich einen Mann halb totgeschlagen und mich mit dem leidenschaftlichen Wunsch verdrückt, ich hätte auch die andere Hälfte umgebracht. So etwas hat man nicht gern auf Magnetband herumliegen, außer man weiß, was man vorhat. Und ich wußte das erstaunlicherweise nicht.
Ich wußte allerdings genug, um Rayner erkannt zu haben, noch bevor ich seinen Namen erfuhr. Ich möchte nicht behaupten, daß er mich direkt verfolgt hatte, aber ich habe ein gutes Gesichtsgedächtnis – als Ausgleich für mein absolutes Sieb von Namensgedächtnis –, und Rayners Visage war nicht besonders schwer zu merken. Flughafen Heathrow, die Bar der Devonshire Arms auf der King’s Road und der Eingang zur U-Bahn-Station Leicester Square waren selbst für einen Volltrottel wie mich ein Aushängeschild.
Ich hatte schon die ganze Zeit im Urin, daß wir uns über kurz oder lang gegenüberstehen würden, hatte mich daher mit einem Besuch bei Blitz Electronics auf der Tottenham Court Road auf schlechte Zeiten vorbereitet und zwei Pfund achtzig für ein dickes, dreißig Zentimeter langes Stromkabel gelöhnt. Biegsam, schwer und besser als jeder Spezialtotschläger, wenn’s um die Abwehr von Strauchdieben und Wegelagerern geht. Als Waffe allerdings völlig unbrauchbar, wenn man es – noch in der Originalverpackung – in der Küchenschublade liegenläßt. Dann ist es wirklich äußerst nutzlos.
Was den unbekannten Weißen anging, der mir den Mordauftrag angeboten hatte, so versprach ich mir wenig von dem Versuch, den noch jemals ausfindig zu machen. Vor zwei Wochen war ich in Amsterdam gewesen und hatte den Leibwächter eines Buchmachers aus Manchester gespielt, der partout glauben wollte, er hätte grausame Feinde. Mich hatte er eingestellt, um diese Phantasie zu stützen. Also hielt ich ihm Wagenschläge auf, suchte umliegende Dächer nach Scharfschützen ab, die es gar nicht gab, verbrachte strapaziöse achtundvierzig Stunden mit ihm in irgendwelchen Nachtclubs und sah zu, wie er mit vollen Händen Geld in alle Richtungen bis auf meine verteilte. Nachdem er endlich schlappgemacht hatte, gammelte ich im Hotelzimmer rum und sah mir im Fernsehen Pornos an. Das Telefon klingelte – an einer besonders saftigen Stelle, das weiß ich noch –, und eine Männerstimme fragte, ob ich Lust hätte, in der Hotelbar einen zu trinken.
Ich sah nach, ob der Buchmacher sicher im Bett eingemummelt war, mit einer hübsch warmen Prostituierten, und verdrückte mich in der Hoffnung nach unten, vierzig Flocken zu sparen, indem ich einem alten Kumpel aus der Armee ein paar Drinks aus dem Kreuz leierte.
Wie sich dann herausstellte, gehörte die Stimme am Telefon jedoch einem kleinen Schmerbauch in einem teuren Anzug, und beide waren mir entschieden unbekannt. Ich war auch wenig erpicht darauf, sie kennenzulernen, bis der eine in die Jackettasche des anderen griff und ein Bündel Scheine herauszog, das ungefähr so dick war wie ich.
Amerikanische Geldscheine. Für die man in nachgerade Tausenden von Einzelhandelsläden in der ganzen Welt Waren und Dienstleistungen erhält. Der Gnom schob mir einen Hundertdollarschein zu, so daß er mir fünf Sekunden lang richtig sympathisch war, aber dann starb die Sympathie schlagartig.
Er weihte mich in die »Hintergründe« eines Mannes namens Woolf ein – wo er lebte, was er machte, warum er das machte und wieviel er damit machte –, und dann erzählte er mir, der Schein auf dem Tisch hätte noch tausend kleine Freunde, die allesamt in meine Taschen wandern könnten, wenn ich Woolf
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