Bockmist
Coca-Cola-Schirmen. Was sie nicht gesagt oder gewußt hatten, war, daß der Vertreter von Coca-Cola in dieser Weltgegend ungemein tüchtig gewesen und seine Sonnenschirme im Umkreis von hundert Metern bei mindestens zwanzig Lokalen losgeworden war. Der Camel-Vertreter hatte nur zweimal Glück gehabt, also lag er wahrscheinlich irgendwo tot im Bach, während sein Kollege bei Coca-Cola mit Messingorden überhäuft wurde und vor dem Hauptquartier in Georgia seinen eigenen Parkplatz bekam.
Nach zwanzig Minuten fand ich es endlich. Das Nikolaus. Zwei Pfund für eine Tasse Kaffee.
Mein Befehl lautete, mich drinnen hinzusetzen, aber es war ein sonniger Vormittag, und ich hatte keine Lust zu tun, wie mir befohlen, also setzte ich mich nach draußen mit Blick auf den Platz und die vorbeimarschierenden Deutschen. Als ich Kaffee bestellte, sah ich zwei Männer, die aus dem Café traten und sich an einen Nachbartisch setzten. Beide waren jung, durchtrainiert und trugen Sonnenbrillen. Keiner sah in meine Richtung. Wahrscheinlich hatten sie drinnen schon stundenlang gewartet und sich hübsche Ausgangspositionen für das Treffen gesucht, und ich hatte ihnen den ganzen Spaß verdorben.
Ausgezeichnet.
Ich rückte meinen Stuhl zurecht, schloß eine Weile die Augen und ließ die Sonne zwischen den Krähenfüßen hereinkrabbeln.
»Master«, sagte eine Stimme, »ein seltenes und köstliches Vergnügen.«
Ich schlug die Augen auf und sah eine Gestalt im braunen Regenmantel, die auf mich herabblickte.
»Ist hier noch frei?«, fragte Solomon. Er setzte sich an meinen Tisch, ohne eine Antwort abzuwarten.
Ich starrte ihn an.
»Hallo, David«, brachte ich endlich heraus.
Ich klopfte mir eine Zigarette aus dem Päckchen, während er einen Kellner an den Tisch winkte. Ich warf einen Blick zu den beiden Sonnenbrillen hinüber, aber immer, wenn ich mich zu ihnen drehte, sahen sie möglichst weit von mir weg.
»Kava, prosim«, sagte Solomon in einem anscheinend ganz passablen Akzent. Dann wandte er sich an mich. »Guter Kaffee, schreckliches Essen. Das schreib’ ich auf all meine Postkarten.«
»Das bist du nicht«, sagte ich.
»Nein? Wer ist es dann?«
Ich starrte ihn weiter an. Das kam alles so unerwartet.
»Ich will’s mal so sagen«, sagte ich. »Bist du das?«
»Meint Ihr, bin ich es, der hier sitzt, oder bin ich es, den Ihr hier treffen sollt?«
»David.«
»Beides, Sir.« David lehnte sich zurück, damit der Kellner den Kaffee abstellen konnte. Er probierte und schnalzte anerkennend mit den Lippen. »Ich habe die Ehre, für die Dauer Eures Aufenthalts in diesem Territorium als Euer Ausbilder agieren zu dürfen. Ich denke, Ihr werdet mir beipflichten, daß diese Verbindung Früchte tragen wird.«
Ich nickte zu den Sonnenbrillen hinüber.
»Gehören die zu dir?«
»Ganz recht, Master. Ihnen ist das zwar gar nicht recht, aber das macht nichts.«
»Amerikaner?«
Er nickte.
»Bis auf die Knochen. Diese Aktion ist sehr, sehr konzertiert. Die konzertierteste seit langer Zeit, um genau zu sein. Eine gute Sache, alles in allem.«
Ich überlegte.
»Aber warum haben sie mir nichts davon gesagt?«, wollte ich wissen. »Sie wußten doch, daß ich dich kenne, warum haben sie mir also nichts davon gesagt?«
Er zuckte die Achseln.
»Sind wir nicht alle nur Zähne auf den Rädern einer gigantischen Maschine, Sir?«
Ei gewiß.
Natürlich hätte ich Salomon am liebsten alles gefragt.
Ich wollte mit ihm ganz an den Anfang zurückgehen – alles rekonstruieren, was wir über Barnes, O’Neal, Murdah, Ballast und Graduiertenkollegien wußten –, damit wir in dem ganzen Chaos vielleicht einen eigenen Standort triangulieren und vielleicht sogar eine Fluchtroute abstecken konnten.
Aber einige Gründe sprachen dagegen. Große, stramme Gründe, die sich ganz hinten im Klassenraum meldeten, auf ihren Stühlen herumzappelten und sich partout nicht abwimmeln ließen. Wenn ich ihm alles erzählte, was ich vermeintlich wußte, würde Solomon entweder das Richtige oder das Falsche tun. Das Richtige würde Sarah und mich höchstwahrscheinlich umbringen und den Lauf der Dinge trotzdem nicht ändern. Es konnte ihn verlangsamen oder zu einem Wiederholungsspiel an einem neu festgesetzten Tag auf einem anderen Spielfeld führen, aber nicht ändern. An das Falsche wollte ich gar nicht erst denken. Denn das Falsche implizierte, daß Solomon zur gegnerischen Mannschaft gehörte, und wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt, kennt niemand
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