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Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
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passieren?
    Sie war vorerst ohne große Kommentare suspendiert worden und konnte sich jetzt auf ein Disziplinarverfahren gefasst machen. Am schlimmsten hatte sie Andreas’ triumphierenden Blick und ihre eigene Ohnmacht empfunden: Sie hätte wenigstens versuchen können zu lügen: Ja, sie hätte Martin Vanderbeke vor der Wohnungsdurchsuchung angerufen, aber nicht, um ihn zu warnen, nur um festzustellen, dass er auch wirklich da war, oder weil sie noch eine genauere Beschreibung des Unbekannten aus dem Roten Ofen haben wollte. Nach wie vor denke sie, dass man diese Spur nicht aufgeben sollte. Als Andreas sie vor der ganzen Mannschaft beschuldigt hatte, Martin gewarnt zu haben, hatte sie kein einziges Wort zu ihrer Verteidigung gesagt. Sie hätte auch, um Andreas zu destabilisieren, die Geschichte des Geburtstagsgeschenks vor dem Hauptkommissar auftischen können, vom Krieg zwischen ihr und Andreas, von dem Mobbing, dem sie seit Wochen ausgeliefert war, und so weiter, auch wenn dies ihr Fehlverhalten nicht entschuldigt hätte. Sie hatte sich aber ohne Widerstand suspendieren lassen. Lügen stanken für sie so eklig wie Erbrochenes. Lügen zerkratzten die Realität wie Rowdys die Glasscheiben einer Bushaltestelle.
    Ihr Leben stand auf dem Kopf. Die Stadt war eine andere. Das Hupen aggressiver, die Ampeln bedrohlicher, die Fußgänger unter Kapuzen vermummt, alle hasteten nach Hause oder in die Kneipen, alle hatten Pläne, Beziehungen, ein Leben, eine Familie, zwei, drei Freunde, an denen sie sich orientieren konnten, einen Hund, eine Katze, nur sie lief mit einem wild gewordenen Kompass im Kopf, die Scheinwerfer blendeten sie, die Trottoirs glänzten, die feuchte Kälte stieg ihr in die Knochen.
    Sie wurde von der Wärme eines großen Kaufhauses angesaugt, irrte im Konsumtempel herum, ohne die Ware anzusehen, sah aber an der Kasse eine CD von Tobias Wildenhain, kaufte sie und ging wieder hinaus. Sie würde vorerst Zeit haben, Musik zu hören. Sie blieb auf der Straße vor einem Obdachlosen stehen und warf ihm einen Euro in die Dose, er bedankte sich mit einem Kopfnicken, ohne sie anzusehen. Sie hatte es noch verhältnismäßig gut, dachte sie, wenn sie sich mit dieser Kreatur verglich. Diese schamhafte Relativierung der Privilegierten half ihr überhaupt nicht weiter. Sie brauchte jemanden, mit dem sie ihre Lage besprechen könnte und hatte keinen. In der U-Bahn roch es nach Vergangenheit und vage nach Urin und die Blicke von zwei Ausländerinnen kreuzten den ihren vorwurfsvoll, als hätte sie lauschen wollen, was die beiden quatschen. Wohin sollte sie jetzt? Was sollte sie jetzt tun? Aufgeben? Bestimmt nicht.

FELD 48: BABYSITTER
    Aller Anfang ist schwer, auch Babysitting. Zur Vorbereitung auf den ersten Job als Babysitter finden Sie hier wichtige Tipps für einen erfolgreichen Start, zufriedene Eltern und glückliche Kinder: www.hallobabysitter.de
    An einem späten Nachmittag fragte ihn seine Wirtin, ob er auf das Baby aufpassen könne, ein Stündchen nur, sie müsse in den Supermarkt, der zwanzig Kilometer weiter sei, der Kleine schlafe und sie wolle ihn jetzt nicht wecken, außerdem werde Marion jeden Augenblick von der Schule zurück sein. Man müsse auch aufpassen, dass die Katze nicht auf die Wiege springe und das Baby kratze. Bodin freute sich über ihr Vertrauen, freute sich, dass er wie ein alter Onkel behandelt wurde, obwohl er sich ein wenig vor Babys fürchtete. Als Marion von der Schule kam, fragte sie, ob sie allein seien, typisch Mama, schimpfte sie und knallte ihre Schultasche auf den Tisch. Dann fragte sie ihn, ob er ihr wenigstens bei Englisch helfen könne, sie schaute ihn dabei fordernd und ohne ein Lächeln an. Dann brauchte sie eine Ewigkeit, bis sie Heft, Buch und Füller herausgeholt hatte. Sie bog ihr dickes Heft an beiden Seiten energisch nach hinten, damit es nicht immer zusammenklappte, und diese Geste verursachte bei Bodin ein unangenehmes Gefühl, als läge darin eine Grausamkeit, die ihn betraf. Sie schrieb: Hausaufgaben, ein unsinniger Titel. Sie schüttelte den Kopf und ihr langes Haar kitzelte Bodins Hand. Er nahm die Hand weg und schob seinen Stuhl ein Stück weiter weg von ihr. Sie schrieb eine Lückenübung zum Perfekt, er diktierte ihr die Antworten, bevor sie Zeit hatte, sich selbst etwas zu überlegen, so ging es schneller, und die faule Göre gab sich mit dieser Schnellhilfe

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