Bodycheck (German Edition)
Erstsemester waren schon wieder fort, nur der Pferdeschwanz saß noch mit den fünf Helfern da und verteilte Aufgaben. Dann entschwand auch der Pferdeschwanz. Unschlüssig sahen sich die Helfer an.
«Im Moment scheint grad wieder die Sonne. Wollen wir mal gucken, ob wir an der Alster ein Eis kriegen?», fragte eine der Strickerinnen.
Die drei Frauen gingen voraus, Toralf und der Schwarzhaarige folgten in ein paar Metern Abstand. Von Zeit zu Zeit wehte den beiden Männern eine intensive Parfümwolke in die Nase. Der Schwarzhaarige schnappte nach Luft und gestikulierte, als müsste er ersticken. Beide feixten.
«Bist du aus Hamburg?», fragte der Schwarzhaarige.
Toralf schüttelte den Kopf. «Nein, aus einem Dorf in Meck-Pomm. Und du?»
«Aus Hamburg. Ich heiße übrigens Mustafa.»
«Ich bin Toralf. Sag mal, Mustafa ist doch kein typisch Hamburger Name?»
Mustafa lächelte. «Nee, nicht wirklich. Gibt aber viele Mustafas in Hamburg. Und der typische Mecklenburger, hat der normal nicht noch kürzere Haare als du? Und den Namen Toralf hab ich ehrlich gesagt noch nie gehört.»
Nun lachte auch Toralf. «Toralf ist ein Ossi-Name. Und die Haare lasse ich grad wachsen. Damit ich hier bei euch im Westen in der Großstadt nicht so auffalle. Was hast du denn beruflich gemacht?»
«Habe Kfz-Mechaniker gelernt, als einer der Letzten. Bei meinem Onkel in der Werkstatt. Heute wird man nicht mehr Kfz-Mechaniker, sondern Kfz-Mechatroniker.»
«Immer diese neumodischen Namen für alte Berufe, ich bin nur ein einfacher Dachdecker. Aber ich weiß ja nun, wer mir ab jetzt bei meinem Auto hilft.»
«Dafür hört sich Dachdecker ziemlich aufregend an. Hast du keine Höhenangst?»
«Höhenangst? Nö», Toralf schüttelte lachend den Kopf.
«Was für ein Auto fährst du denn?»
«Golf IV, tiefergelegtes Fahrwerk, breite Puschen …»
Mustafa grinste. «Alles klar, was sollt ihr glatzköpfigen Jungs da drüben in Meck-Pomm auch sonst fahren. Ich hab einen Dreier-BMW.»
Wieder lachte Toralf. «Genau das richtige Auto, wenn man Mustafa heißt. Übrigens durfte ich letzten Sommer mal ’nen 335i Probe fahren. Eine ziemlich heiße Karre. Hast du etwa ein Cabrio?»
Mustafa verzog das Gesicht. «Nee, Cabrio ist ja voll schwul. Aber du kannst gern bei mir im Wagen mitfahren nach Dänemark.» Zwischenzeitlich waren sie am Alsteranleger angekommen. Sie nahmen auf Deckchairs aus Tropenholz Platz. Die Frauen bestellten Kaffee, die beiden Männer Eisbecher mit Sahne. Der Himmel strahlte jetzt in hellem Blau, die Sonne entwickelte schon Kraft und wärmte. Toralf hängte seine Jacke über die Rückenlehne.
«Du bist wahrscheinlich jeden Abend in der Muckibude?», fragte Mustafa und deutete auf Toralfs Arme.
«Ach, eigentlich nur dreimal die Woche», erwiderte Toralf.
«Aber mit beeindruckendem Ergebnis!», lobte Mustafa, «ich geh zweimal die Woche zum Taekwondo.»
Toralf lächelte. «Oh, kein Kickboxen?»
«Nein, kein Kickboxen. Oder spielst du etwa Baseball?»
Beide lachten. An Mustafas drahtigem Hals blitzten goldene Kettenglieder. Ein weißer Alsterdampfer legte wie von selbst an, und eine Gruppe amerikanischer Touristen stieg aus. Toralf sah interessiert zu.
«Hast du ’ne Ahnung, wie die Alsterdampfer festmachen? Ich hab eben gar keine Tampen gesehen», fragte er.
«Ich glaub, das läuft mit Elektromagneten. Anlegen, ablegen, geht alles wie von selbst», erwiderte Mustafa.
Der Alsterdampfer löste sich wieder vom Anleger. Sanft schaukelte er über die Außenalster, hinüber zum anderen Ufer. Toralf sah ihm hinterher. Auf dem Geländer saß eine Möwe und schrie.
«Da müsste man auch mal mitfahren», sagte Mustafa.
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet die Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnd.ddb.de abrufbar.
Rolf Redlin
Bodycheck
Roman
Unveränderte Taschenbuchausgabe 2013
© Männerschwarm Verlag, Hamburg 2009
Umschlaggestaltung: Carsten Kudlik, Bremen
unter Verwendung zweier Fotos von cleste-clochard –
fotolia.com (Ortschaft) und Sandro Bodio – fotolia.com
(Handwerker)
Druck: Interpress, Budapest
1. Auflage 2013
ISBN der Buchausgabe: 978-3-86300-149-0
ISBN der Ebook-Ausgabe: 978-3-86300-156-8
Männerschwarm Verlag
Lange Reihe 102 – 20099 Hamburg
www.maennerschwarm.de
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