Bodycheck (German Edition)
für ‹Am liebsten würde ich immer mit dir zusammen sein›. Verdammt schwer, so etwas wie ‹Ich hab dich gern› zu sagen. Worte wie ‹Ich hab dich lieb› traute er sich kaum zu denken. Aber ein Kompliment brachte er dann doch über die Lippen. «Hab ich eigentlich schon gesagt, dass du verdammt gut aussiehst?» Er strich anerkennend über Toralfs Oberarm.
Für ein paar Minuten starrten beide wieder die Kellerdecke an.
«Toralf, woran denkst du nun wieder?»
«Mir fällt grad ein, was für ein Glück es ist, dass ich Montag freihabe.»
Manfreds Züge hellten sich auf: «Was? Das ist ja super! Ich hab den Montag auch frei, weil ich Sonnabend gearbeitet habe.» Manfred drehte sich halb zu Toralf um, legte das Knie besitzergreifend auf sein Bein und schaute ihm in die Augen.
«Außerdem habe ich noch eine Bitte», hob Toralf ungerührt an und wich dabei Manfreds ernsthaftem Blick nicht aus.
«Dir erfülle ich jeden Wunsch», versprach Manfred ohne Zögern.
Toralf fuhr fort: «Ich möchte, dass du mich nächstes Wochenende in Kleinow besuchst.»
«Was!? Ist das dein Ernst?»
«Und du wirst diesmal nicht im Gasthof übernachten, sondern bei mir zu Hause. Und es wird jeder mitkriegen.»
24
Der Seminarraum war leer. Toralf nahm den Flyer zur Hand, um sich zu vergewissern. Die Zeit stimmte, der Ort auch. Er beschloss zu warten und lehnte sich an einen Tisch. An der Decke flackerte eine Neonröhre. Regen prasselte gegen die Fensterfront, Sonnenstrahlen brachen sich in den Tropfen. Aprilwetter eben. Er sah auf die Uhr: Schon drei Uhr durch, und noch niemand außer ihm da. Eigenartig.
Endlich öffnete sich die Tür, und zwei Frauen traten ein. Sie sahen ihn verwundert an. «Ist das hier die Erstsemester-Veranstaltung von der Fachschaft Gewerbelehrer?», fragten sie und musterten ihn ungeniert.
Toralf nickte. «Dachte auch schon, ich wäre falsch.»
Die beiden setzten sich und holten Strickzeug heraus. Nach und nach füllte sich der Raum. Wieder schaute Toralf zur Uhr. Es war schon zehn Minuten über die Zeit. Da betrat ein etwa gleichaltriger Mann mit Pferdeschwanz den Seminarraum. Mit ausholenden Schritten strebte er zur Stirnseite des Raums. Lässig warf er seinen Rucksack auf das Pult und kramte einen Stapel kopierter Zettel hervor. Er räusperte sich, und das Murmeln im Raum ebbte langsam ab. Er begrüßte die Erstsemester und setzte zu einer längeren Rede an. Langatmig erläuterte er die studentische Interessenvertretung.
Toralf sah sich um und musterte die anderen Studierenden. Sie waren hier alle durchweg fünf oder sogar zehn Jahre älter als die anderen Studenten draußen auf dem Campus. Wie Erwachsene in einer riesigen Schar von Halbwüchsigen. Die übrigen Männer machten einen enttäuschenden Eindruck. Entweder waren sie ungepflegt oder unsportlich, manche sogar beides. Nur in der hinteren Reihe saß ein Typ mit schwarzen Haaren, das gegelte Deckhaar etwas länger, die Seiten und den Nacken ausrasiert. Toralf konnte nicht viel erkennen, weil die beiden strickenden Frauen die Sicht versperrten. Der Pferdeschwanz sprach von sozialen Kontakten, Lerngruppen und gegenseitiger Hilfe. Eine Liste wurde herumgereicht, in die sich jeder mit Namen, Handynummer und E-Mail-Adresse eintrug. Plötzlich hatte Toralf den Eindruck, der Schwarzhaarige schaute seinerseits herüber und musterte ihn.
Er strich sich über den Kopf. Er hatte vor gut einer Woche aufgehört, den Kopf zu rasieren. Ein ungewohntes Gefühl, wenn er sich am Kopf kratzte. Am Kinn waren die Haare schon länger. Seit er in Hamburg wohnte, ließ er sich einen Vollbart stehen. Und dieses Mal wuchs der Bart dicht und kein bisschen zippelig. Vollbart zu Glatze oder zu sehr kurzen Haaren, warum nicht? Er hatte hier an der Uni schon Typen hinterhergeschaut, bei denen das ziemlich cool aussah.
Vorn schwärmte der Pferdeschwanz von gegenseitigem Kennenlernen auf einem geplanten Wochenende in Dänemark. Auf die Frage nach dem Interesse daran gingen fast alle Hände nach oben. Er nickte zufrieden und teilte die kopierten Infoblätter aus. Sie hatten ein Pfadfinderheim an einem See gemietet. Traumlage. Wer bereit sei, bei der Vorbereitung zu helfen, fragte er. Dieses Mal blieben die Arme unten. Zögernd hoben die beiden Strickerinnen und eine weitere Frau die Hand. Am besten jemand mit Auto, ergänzte der Pferdeschwanz. Toralf meldete sich kurz entschlossen, und unmittelbar darauf ging auch die Hand des Schwarzhaarigen nach oben.
Die anderen
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