Bodyfinder - Das Echo der Toten
an, während sie am Gesicht ihrer Mutter abzulesen versuchte, was sie dachte. Hatte Violet vielleicht zu dick aufgetragen?
Aber dann wandte sich ihre Mutter wieder ihrer Arbeit zu und zuckte die Achseln. »Ja, warum nicht. Solange ihr zwei zusammenbleibt.« Sie gab Violet mit einem Blick zu verstehen, wie wichtig ihr das war. »Wirklich, Violet Marie, bleibt zusammen. Und pass auf dich auf.«
»Na klar, Mom.« Sie lief auf ihre Mutter zu und gab ihr ein Küsschen auf die Wange, was sie beide überraschte. Das hatte Violet ewig nicht gemacht. Vielleicht hatte sie damit wiedergutmachen wollen, dass sie ihrer Mutter glatt ins Gesicht gelogen hatte.
Aber trotz aller Schuldgefühle hüpfte Violet regelrecht aus dem Gartenhäuschen und wartete im Haus ungeduldig auf Grady.
13. KAPITEL
Violet saß auf dem Beifahrersitz von Gradys getuntem, fünf Jahre altem Nissan Sentra. Sie fand es albern, ein solches Auto aufzumotzen, sagte das aber nicht, denn Grady war so stolz darauf. Er warf sich in die Brust, als er ihr die neuen Spinning Wheels zeigte und die schimmernde lila Farbe, in der er das ursprünglich champagnersilberne Auto umgespritzt hatte. Der Motor war lächerlich laut.
Die Anspannung, unter der Violet stand, wurde während der lärmigen Fahrt nur schlimmer. Sie konnte es kaum glauben, dass sie ihren Plan tatsächlich in die Tat umsetzte. Und je näher sie dem kleinen Stadtfriedhofkamen, auf dem Brooke Johnson begraben lag, desto mehr spürte Violet, wie sich ihre Nackenmuskeln verkrampften. Grady hielt ihre Unruhe wohl für Trauer über den Verlust der vermeintlichen Freundin, denn nachdem sie auf die gewundene Uferstraße abgebogen waren, hörte er auf, sie mit seinem Small Talk zu nerven.
Endlich kam der schwarze schmiedeeiserne Zaun des Friedhofs in Sicht.
Violet war überrascht, dass sie keinerlei Echos wahrnahm. Auf einmal machte sie sich Sorgen, dass es bei Brooke Johnson ähnlich sein könnte wie mit den toten Tieren, deren Echos zu einem kaum wahrnehmbaren Rauschen wurden, sobald Violet sie auf ihrem kleinen Friedhof begraben hatte.
Vielleicht konnte sie Brookes Echo gar nicht von den übrigen unterscheiden.
Grady fuhr auf einen kleinen Parkplatz und schaltete den Motor aus. Erleichtert über die plötzliche Ruhe atmete Violet auf.
Als sie jedoch ausstieg, tauchte sie in ein lautes Knistern ein. Es war überall um sie herum, kaum anders als das statische Brummen, das sie von ihrem kleinen Friedhof zu Hause kannte. Die Anspannung in ihrem Nacken verstärkte sich.
Grady lief schweigend neben ihr her, als sie langsam die Reihen der Gräber abschritt.
»Weißt du, wo sie begraben ist?«, fragte er mit düsterer Stimme.
Violet wusste es nicht. Aus irgendeinem Grund hatte sie gar nicht daran gedacht, dass es ein Problem sein könnte, das Grab von Brooke zu finden. Sie war davon ausgegangen, dass sie es erspüren würde.
Sie schüttelte den Kopf.
»Macht ja nichts. Wir gehen einfach weiter, bis wir es finden«, sagte Grady zuversichtlich.
Violet konzentrierte sich auf die Geräusche in ihrer Umgebung. Sie spürte, dass das Knistern nicht überall gleich stark war, und versuchte die einzelnen Töne voneinander zu unterscheiden.
Irgendwo ganz in der Nähe hörte sie einen lauten Knall, als wäre ein Feuerwerkskörper explodiert. Sie zuckte zusammen und fuhr herum, um zu sehen, woher das Geräusch kam.
»Was hast du?«, fragte Grady und sah sie neugierig an.
Violet begriff, dass es ein Echo war, das sie vernommen hatte.
»Nichts«, log sie und ging dem Geräusch nach. Sie musste wissen, woher es kam, vielleicht hatte sie ja Glück und es gehörte zu Brooke.
Vor einem Grabstein blieb sie stehen, auf der bronzenen Platte waren folgende Worte eingraviert:
Edith Bernhard
19. Juni 1932 – 2. Mai 1998
Geliebte Ehefrau und Mutter
Die explosionsartigen Geräusche waren so deutlich zu hören, dass Violet den schwefligen Rauch des Feuerwerks fast riechen konnte. Edith Bernhard war mit fünfundsechzig Jahren gestorben.
Es war kein natürlicher Tod gewesen, das war an dem Echo deutlich zu erkennen. Aber war es Mord gewesen? Oder Selbstmord? Blieb bei Selbstmord überhaupt ein Echo zurück? Konnte ein Mensch das Zeichen seiner eigenen Tat an sich tragen?
»Kanntest du sie?«
Für einen Augenblick hatte Violet Grady vergessen, aber jetzt stand er direkt hinter ihr und las über ihre Schulter hinweg die Grabinschrift.
»Nein, nein«, antwortete sie schnell und zog Grady weiter.
Noch mehrmals blieb Violet
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