Bodyfinder - Das Echo der Toten
wurde. Sie drehte den Kopf weg und nutzte die Gelegenheit, ihr Gesicht mit den Händen zu bedecken.
»Bitte! Hör auf!« Sie hoffte inständig, Grady würde wieder zu Sinnen kommen. Tränen liefen ihr über die Wangen und nahmen ihr die Sicht.
Da ließ Grady mit einem Mal von ihr ab. Kurz darauf hörte sie einen dumpfen Aufprall und dann ein Wimmern wie von einem verwundeten Tier.
Im ersten Moment nahm sie an, er wäre ausgerutscht und hingefallen, oder sie hätte ihn vielleicht fester geschubst, als gedacht. Doch dann begriff sie, was wirklich los war, und traute ihren Augen kaum.
Jay stand mit zorngerötetem Gesicht über Grady, der wie ein Häufchen Elend am Boden lag.
Grady hielt sich den Mund, Blut rann ihm durch die Finger. »Hör auf! Hör auf!«, jammerte er und streckte verzweifelt die Hand in die Höhe, um sich zu ergeben.
Jay wirkte unschlüssig, er ballte die Fäuste und packte Grady am Hemdkragen. »Hat Violet nicht genau das zu dir gesagt, du Mistkerl? Hat sie dir nicht gesagt, du sollst aufhören?«
Grady zuckte zusammen und schirmte das Gesicht mit den Armen ab. »Bitte nicht!«
Violet war völlig perplex. Wo war Jay plötzlich hergekommen?
»Wenn du sie noch einmal, nur ein einziges Mal anfasst, Grady, dann bring ich dich um, das schwöre ich. Hast du das kapiert?«, zischte Jay.
Noch nie hatte Violet Jay so wütend erlebt. Ihre Dankbarkeit über sein unerwartetes Auftauchen schlug in Entsetzen um.
Grady nickte nur und wischte sich die blutige Hand an der Jeans ab. Er sah so aus, als wollte er noch etwas sagen, schien jedoch nicht die richtigen Worte zu finden.
Jay beugte sich über ihn. »Wo ist dein Autoschlüssel?« Ungeduldig streckte er den Arm aus.
Grady suchte vergeblich in seinen Taschen, dann fiel ihm wieder ein, wo sein Schlüssel war. »Violet hat ihn.«
Violet zuckte zusammen, als sie ihren Namen hörte. »Ach so … ja …«, stammelte sie. Sie nahm das Schlüsselbund und ließ ihn in Jays Hand fallen.
»Und wie soll ich jetzt …«, setzte Grady an, aber Jay schnitt ihm das Wort ab.
»Das ist mir scheißegal.«
Jay steckte Gradys Schlüssel ein und ging zum Wagen seiner Mutter. »Steig ein!«, herrschte er Violet an, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Violet zuckte zusammen.
Aus schmalen Augen sah sie Jay an. Die Sehnsucht der letzten Woche löste sich auf und schlug in Empörung um.
»Hast du sie nicht mehr alle? Du redest eine ganze Woche lang kein Wort mit mir und auf einmal glaubst du, du kannst einfach daherkommen und mich rumkommandieren?« Sie stemmte die Hände in die Seiten. Ihre Wangen brannten. »So läuft das nicht, Jay.« Bitterkeit und maßlose Enttäuschung überfielen sie und hinterließeneinen schalen Geschmack in ihrem Mund. Sie machte auf dem Absatz kehrt und folgte der lauten Musik zurück zum Haus.
Jay kam ihr nicht hinterher. Er versuchte nicht, sie aufzuhalten und um Verzeihung zu bitten.
GLÜCKSTREFFER
Erst auf den zweiten Blick hatte er das Mädchen gesehen, das allein durch die schmale dunkle Straße lief
.
Das ging alles zu schnell, sagte er sich. Seit dem letzten Mal war nicht genug Zeit vergangen, er hatte sein Verlangen noch unter Kontrolle
.
Aber dieses Mädchen hatte etwas an sich … sie sah verloren aus … als ob sie Hilfe bräuchte
.
Er fuhr langsamer, beobachtete sie. Ihre Beine schienen ihr nicht zu gehorchen, immer wieder stolperte sie. Sie schien aufgewühlt, schaute sich nicht um. Nahm nichts um sich herum wahr
.
Und dann war es auf einmal klar. Sie brauchte ihn
.
Fast so sehr, wie er sie brauchte
.
Er fuhr näher an sie heran, darauf bedacht, sie im Blick zu behalten, falls sie es mit der Angst bekam, falls seine Nähe sie verschreckte
.
Er schaute sich um, blickte links und rechts in die parkenden Autos. Aber da war niemand
.
Jetzt war er bei ihr, sie hatte ihn immer noch nicht bemerkt, als er mit dem Auto neben ihr hielt
.
Sie blickte auf, schaute ihn aus unschuldigen, feuchten Augen an, und sofort ließ sein Anblick ihre Tränen versiegen
.
Er stieg aus dem Wagen, bewegte sich geschmeidig
.
Der Tanz hatte begonnen
.
Nur wenige Worte waren nötig, dann legte er einen tröstenden Arm um sie und führte sie zur Beifahrertür … während sie ihn mit argloser Dankbarkeit ansah
.
16. KAPITEL
Violet verabscheute die Tränen der Wut, die ihr in den Augen brannten.
Sie war schrecklich aufgebracht und fühlte sich einsam. Jays Zurückweisung sickerte wie Gift durch jede Pore ihres Körpers.
In diesem Moment
Weitere Kostenlose Bücher