Bodyfinder - Das Echo der Toten
Mitternacht zuging, stand Grady plötzlich neben ihr. Er war vollkommen betrunken und konnte sich kaum auf den Beinen halten.
»Wo warstn du? Hab dich überall gesucht«, lallte er und legte ihr einen Arm auf die Schulter.
Violet stöhnte innerlich auf, ließ sich aber nicht anmerken, dass sie ihm den ganzen Abend aus dem Weg gegangen war. »Ich war hier«, sagte sie mit Unschuldsmiene. »Du scheinst dich ja auch ohne mich gut amüsiert zu haben.« Sie versuchte, unter seinem Arm wegzutauchen.
Doch durch ihre abrupte Bewegung fasste er nur fester zu, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und lehnte noch schwerer auf ihr.
»Geh nicht weg«, bat er und hauchte ihr seinen heißen Atem ins Gesicht. Er roch nach schalem Bier und Tequila.
Auf der anderen Seite des Raums sah Violet Chelsea mit einer Klassenkameradin reden. Sie warf Violet einen fragenden Blick zu. Violet verdrehte zur Antwort die Augen und schaute dann wieder zu Grady. Sie wollte ihn loswerden, aber sie mochte ihn in diesem Zustand auchnicht allein lassen. Er war völlig fertig und immerhin waren sie befreundet.
»Am besten bringe ich dich nach Hause«, schlug sie vor. Sie hatte keinen Alkohol getrunken und konnte fahren. »Gib mir deinen Schlüssel.«
Er machte ein Auge zu, um sie zu fixieren, und holte sein Schlüsselbund aus der Tasche. Über beide Ohren grinsend, klimperte er damit vor ihrem Gesicht herum. »I…ch kann selbst …«
Violet schnappte sich die Schlüssel und Grady geriet abermals ins Straucheln. Er stolperte zur Seite. Violet griff nach seinem Arm, um ihn festzuhalten. Dabei wäre sie beinahe zu Boden gerissen worden.
Mit Mühe gelang es ihr, sich auf den Beinen zu halten. »Na komm, Grady. Ich bin dir sowieso noch was schuldig.«
Er blinzelte. »Was meinste?«
Violet verzichtete darauf, ihm zu erklären, dass er ihr neulich einen großen Gefallen getan hatte, als er mit ihr zum Friedhof gefahren war. Sie bugsierte ihn in Richtung Ausgang und hielt kurz die Schlüssel hoch, um Chelsea zu signalisieren, was sie vorhatte.
Im Laufe der Nacht hatte es sich abgekühlt. Die frische Luft schien Grady ein klein wenig zu ernüchtern.
Die hohen Zedern und Tannen warfen im Mondlicht gespenstische Schatten auf die Straße und Violet warfroh, nicht allein zu sein. Sie half Grady zur Beifahrertür und hielt sie für ihn auf.
Aber Grady stieg nicht sofort ein. »Danke, Violet. Wirklich nett von dir.« Er lallte nicht mehr so schlimm wie vorher.
»Kein Problem.« Sie versuchte zu lächeln, als Mackenzie Sherwin aus der Neunten an ihr vorbeistürzte, um sich im Gebüsch zu übergeben. Sie kam nur mit Mühe wieder auf die Beine und torkelte unsicher in Richtung Straße auf eine Gruppe von kichernden Mädchen zu.
Schwankend machte Grady einen Schritt auf Violet zu und stand jetzt direkt vor ihr.
Violet fühlte sich unbehaglich, eingekeilt zwischen ihm und der offenen Wagentür.
»Wir können ja noch ein bisschen hierbleiben.« Er legte ihr einen Arm um die Taille.
Violet zuckte zusammen und erstarrte. Und noch ehe sie wusste, was sie tun sollte, beugte sich Grady vor und zog sie an sich. Sein Griff war fest, zu fest. Alles in Violet sträubte sich gegen seine Berührung.
Endlich fand sie ihre Sprache wieder. »Nein, lass das, Grady!«, sagte sie und drehte das Gesicht weg, ehe sein Mund auf ihrem landen konnte. »Nicht!«
Sie versuchte seinen Arm wegzudrücken, aber Grady verstärkte seinen Griff. Violets Herz geriet ins Stolpern, auf einmal hatte sie Angst.
Er legte den Mund an ihr Ohr, küsste ungeschickt ihr Ohrläppchen und flüsterte heiser: »Es ist schon gut, Violet.« Dann drängte er sich noch enger an sie und fuhr mit seiner Zunge über ihren Hals.
Fieberhaft überlegte Violet, wie sie dieser Situation entfliehen konnte, doch ihr Kopf fühlte sich wie betäubt an. Sie war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.
Wieder legte Grady es darauf an, sie zu küssen.
Diesmal stemmte sie sich mit beiden Händen gegen seine Brust und schob ihn zurück, während sie sich von ihm abwendete. »Lass das, Grady. Ich meine es ernst!« Ihre Stimme zitterte.
Aber er bekam ihren Hinterkopf zu fassen, drehte ihr Gesicht nach vorn und drückte seinen Mund auf ihre Lippen. Übelkeit stieg in Violet auf, als sich seine Zunge in ihren Mund zwängte und sie seine bittere Alkoholfahne schmeckte.
Vergeblich hämmerte sie mit den Fäusten auf ihn ein. Plötzlich war sie sich nicht mehr sicher, dass sie mit der Situation allein fertig
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