Bodyfinder - Das Echo der Toten
hasste sie ihn dafür, dass sie sich seinetwegen so schwach und verletzlich fühlte. So hatte sie nie sein wollen, so war sie nie gewesen, so armselig und bedauernswert.
Als sie das Geräusch von Reifen auf dem Asphalt hinter sich hörte, schaute sie zur Seite. Sie hatte gar nicht bemerkt,dass ihr ein Auto gefolgt war. Um zu erkennen, wer hinter dem Steuer saß, musste sie blinzeln.
Es war Jay!
Überrascht blieb sie stehen und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Er sollte nicht sehen, dass sie geweint hatte.
Sie hörte, wie die Tür aufging, und noch bevor sie etwas sagen konnte, hatte Jay schon die Arme um sie geschlungen.
Tief atmete sie seinen Duft ein und das Gefühl von Geborgenheit durchströmte sie. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Sie konnte später nicht sagen, wie lange sie dort gestanden hatten, ineinander verschlungen. Es spielte keine Rolle. Sie merkte nicht einmal, dass sie wieder angefangen hatte zu weinen, bis er sich zu ihr herabbeugte, um ihre feuchten Wangen zu küssen.
Dann suchte sein Mund den Weg zu ihrem. Als sie seine Lippen sanft auf ihren spürte, breiteten sich kleine Stromschläge wellenförmig von ihrem Bauch aus.
Sie fing an zu zittern, während sein Mund ihren liebkoste.
So oft hatte sie diesen Moment herbeigesehnt, so lange davon geträumt, dass er sie küsste.
Violet seufzte, schmiegte sich enger an ihn, vergaß ihre Wut und die Kränkung, gab sich ganz dem Augenblick hin.
Jay küsste sie, fest und lange und tief. Und sie erwiderte seinen Kuss genauso heftig.
Violet nahm ihren schnellen Herzschlag überall in ihrem Körper wahr, spürte seinen Widerhall in den Adern. Ihr war heiß und gleichzeitig zitterte sie. Sie roch die berauschende Hitze, die Jay ausströmte.
Als er den Mund von ihrem löste, spürte sie immer noch seine Berührung auf den Lippen.
Er schaute sie an, sein Blick ebenso glasig wie ihrer. »Steig ein, Violet.«
Seine Stimme klang jetzt weich und anstatt sich dagegen zu sträuben, nickte sie nur. Sie sah ihm in die Augen und konnte an nichts anderes denken als an seine Nähe.
Irgendwo in der Ferne hörte Violet ein Auto. Sie machte sich nicht die Mühe aufzuschauen, denn sie hatte nur eines im Sinn: Jay.
17. KAPITEL
In der Nacht lag Violet die meiste Zeit wach. Immer wieder dachte sie an das zurück, was passiert war. Sie wollte sich an die kleinsten Einzelheiten erinnern und sie sich für immer einprägen, um sie jederzeit abrufen zu können.
Jay hatte sie geküsst.
Und es war nicht nur irgendein Kuss gewesen. Keiner von den brüderlichen Küssen aus Kindertagen. An diesem Kuss war nichts Kindliches gewesen. Endlich hatten sie die Kluft überwunden, die am Ende des Sommers zwischen ihnen entstanden war.
Endlich.
Violet hielt es kaum aus. Sie war aufgeregt, beschwingt, elektrisiert, alles zugleich.
Doch zu diesen Gefühlen gesellten sich Unsicherheit und Zweifel. Welche Bedeutung hatte der Kuss für Jay? Empfand er ähnlich wie sie?
Während der ganzen Heimfahrt hatten sie kein Wort miteinander geredet. Kein Abschiedskuss, kein Händchenhalten. Nichts. Er hatte sie nicht einmal mehr berührt.
Jetzt fragte sie sich, ob er nicht nur wahnsinnig erleichtert gewesen war, weil er sie gerettet hatte, bevor Grady zu weit gehen konnte. Waren vielleicht nur die Gefühle mit ihm durchgegangen? Hatte er sie in einer plötzlichen Anwandlung geküsst, ohne sich bewusst zu machen, was er eigentlich tat?
Sie hoffte, sie betete, dass es nicht so war.
Schließlich gelang es ihr, die quälenden Gedanken beiseitezuschieben und sich an das Gefühl seiner weichen Lippen zu erinnern. An die Wärme seines Körpers, Herz an Herz mit ihrem.
Als der Morgen kam, fühlte sie sich wie ausgelaugt.
Und da sie nicht glaubte, um kurz nach sieben noch einmal einschlafen zu können, schälte sie sich aus dem warmen zerwühlten Bett und folgte dem Duft nach frischem Kaffee hinunter in die Küche.
Ihre Mutter saß am Frühstückstisch und lächelte ihr müde zu. »Guten Morgen, Vi.«
Violet stutzte. Normalerweise war ihr Vater der Frühaufsteher in der Familie, ihre Mutter konnte fast bis mittags im Bett bleiben.
Außerdem wunderte es sie, dass ihre Mutter nicht sofort wissen wollte, warum sie in der Nacht noch nach Hause gekommen war. Sie hatte ja eigentlich bei Chelsea schlafen wollen.
»Ist Dad schon zur Arbeit«, fragte Violet. Ihr Vater fuhr oft auch samstags in die Kanzlei, aber in der Regel erst nach dem gemeinsamen Frühstück.
Ihre Mutter zog den
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