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Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Titel: Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brühwiler
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durch die Geschäfte bummeln kann, statt wie momentan mit einem permanent auf meinen Einkaufszettel gesenkten Blick durch den Laden hindurchzumarschieren!

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    Auf dem Trockenen
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    Vor ein paar Jahren habe ich einmal von einer psychologischen Studie gelesen. Leider habe ich nicht mehr alles im Kopf, aber die Ausgangslage war in etwa so: Die Versuchsteilnehmer wurden vor die folgende Wahl gestellt: Wollten sie lieber 100'000 verdienen, wenn ihre Freunde und Nachbarn ebenfalls 100'000 verdienten? Oder hätten sie lieber 80'000, wenn das Einkommen ihrer Freunde und Nachbarn nur 50'000 wäre? Erstaunlicherweise entschied sich der Grossteil der befragten Leute für die zweite Variante. Die Leute waren zufrieden mit weniger Geld, wenn sie nur mehr verdienten als ihr Umfeld! Schon damals schüttelte ich den Kopf über dieses Resultat, deshalb ist es mir auch in Erinnerung geblieben.
    In den letzten Wochen lebte ich nun den Wunschtraum dieser Probanden. In der Schweiz hatten wir zur Mittelklasse gehört, hier stiegen wir in eine höhere Liga auf, wohnen in einem grossen Haus, fahren zwei grosse Autos, leisten uns eine Hausangestellte und eine Privatschule. Die Mehrzahl der Südafrikaner lebt aber in einer anderen Realität. Nämlich in einer, in der man kilometerweise zu Fuss geht, weil die Taxis vollbesetzt sind. In der man zufrieden ist, wenn man in einem Haus mit nur einem Zimmer wohnt, wenn es zumindest Strom und Wasser und eine Toilette hat. In einer Welt, in der man froh ist, wenn die Schule für die Kinder einen einigermassen geordneten Unterricht bietet. In der man sich glücklich zählt, wenn einer aus der Familie eine Arbeitsstelle hat. In der man sich den Kopf zerbricht darüber, wie man sich neue Winterschuhe für die Kinder leisten soll.
    Nur wenige Kilometer von Dainfern entfernt, auf dem Weg zur Autobahn, fährt man entlang einer zum township Diepsloot gehörenden Hüttensiedlung, hier squatter camp genannt. Dort hausen die Menschen in Hütten aus Wellblech oder aus dem Material, welches sie gerade gefunden haben. Es hat keine Strassen zwischen den Hütten, sondern Matschwege. Ein Slum, wie wir ihn uns vorstellen.
    Unterwegs auf Johannesburgs Strassen überhole ich viele dieser Menschen. Vor allem, wenn ich Mütter zu Fuss sehe, die kleine Kinder auf dem Rücken tragen, blutet mir das Herz, diese Menschen nicht mitnehmen zu können und ihnen damit das Leben zu erleichtern – ich mit meinem grossen Auto! Doch leider ist das ganz ausgeschlossen, weil die Kriminalität zu hoch und die Gefahr, dass ich überfallen und ausgeraubt würde, zu gross ist. Dasselbe gilt für die blinden Bettler oder diejenigen an Krücken oder in Rollstühlen. Wollte ich ihnen etwas zustecken, so müsste ich das Autofenster öffnen. Damit würde ich angreifbar. Nicht dass jeder Bettler Schlechtes im Sinn hat... aber nicht jeder Bettler oder Strassenverkäufer ist ein netter Kerl. Ich muss mir angewöhnen, dass ich nicht von allen Menschen das Beste denken darf.
    Diese Situation macht mir sehr zu schaffen. Ich fühle mich ausbeuterisch, sklaventreiberisch, rassistisch (den Strassen entlang gehen nur schwarze Menschen), asozial, ein richtiger Lump.
    Ich treffe mich mit Sonia und spreche dieses Gefühl an. Sie setzt die Kaffeetasse ab, beobachtet einen Moment konzentriert ihren Löffel, schaut mich dann an und antwortet mitfühlend:
    „Isch kenne das schon. Das ’atte isch am Anfang ausch. Aber dann ’abe isch mir gesagt, dass isch meine Geld ’ier ausgebe, wenn isch ’ier einkaufe, dass isch die südafrikanische Wirtschaft unterstütze. Dass isch eine Arbeitsplatz offeriere in meine ’aus. Und dass es keine Unterschied mascht, ob isch eine gute Leben lebe in der Schweiz oder in Südafrika. Nur ’ier sehen wir ’alt die Leute, die keine so gute Leben ’aben wie wir, in Europa sehen wir sie einfasch nischt.“
    Sie denkt einen Augenblick nach und fügt dann hinzu:
    „Eine Freundin ’at mir in die ersten Monate ’ier in Südafrika etwas gesagt: Africa is not for the sissies. Isch ’abe oft daran gedascht, und isch glaube, sie ’at rescht.“
    Africa is not for the sissies ... Afrika ist nicht für Weichlinge. Ich grüble über Sonias Philosophie nach und komme nach ein paar Tagen zum Schluss, dass sie Recht hat. Es spielt global gesehen keine Rolle, ob ich hier in Afrika das führe, was wir ein modernes Leben in westlicher Zivilisation nennen, oder ob ich es in Europa oder Amerika lebe. Im Gegenteil, in Johannesburg

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