Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
läuft im Haus alles wie geschmiert. Wunderbar.
Bei meinem zweiten Bedenken ging es um die Ungewissheit, wie es sich lebt, wenn man nicht allein zu Hause ist. Wenn immer noch ein Nicht-Familienmitglied im Hintergrund präsent ist. Ehrlich gesagt fand ich das in den ersten Tagen schon recht unangenehm. Clara kommt zwar mit Empfehlung, aber sie ist eine Fremde für mich. Ich fand es ziemlich anstrengend, das Gefühl zu haben, mit einer eigentlich unbekannten Person Konversation führen zu müssen in meiner eigenen Küche. Zum Glück dauerte es einige Tage, bis ich das neue Haus als „mein Haus“ empfand, und bis dahin war mir Clara auch nicht mehr so fremd. So langsam habe ich mich an die Situation gewöhnt - alles hat halt Vor- und Nachteile. Aber wenn uns Clara nachmittags um fünf verlässt, bin ich nicht unglücklich darüber, für ein paar Stunden das Haus nur mit meiner Familie zu teilen.
Und dann war da mein drittes Fragezeichen: Wie ist es, wenn ein Nicht-Familienmitglied im Haus ist, das zudem noch arbeitet? Dieser Zwiespalt resultiert aus einer frühkindlichen Prägung, wie ein Psychiater mir sicher attestieren würde. Bei uns zu Hause durfte man sich nie im Zimmer auf dem Boden fläzen und Musik hören, wenn Mama oder Papa etwas für einen erledigte. Reparierte mein Papa zum Beispiel mein Fahrrad, so musste ich daneben stehen und mindestens kleinere Handreichungen vornehmen. Daher habe ich nun eine Art psychologisches Problem, wenn jemandem in meiner Umgebung arbeitet und ich mich ausruhe. Dafür kann ich aber zum Beispiel prima Fahrräder flicken und Autoreifen wechseln.
Also: Kann ich tagsüber zum Beispiel etwas Schlaf nachholen, wenn ich in der Nacht mit Max Schäfchen zählen musste? Oder fühlt sich das dekadent an?
Die Frage ist zur Zeit noch nicht beantwortbar, weil ich keine freie Zeit habe. Es gibt tausend Dinge im neuen Haus, die ich selber machen oder besorgen muss. Der Tag hat viel zu wenig Stunden für alles, was ich erledigen muss oder möchte! Insbesondere die Besorgungen sind sehr zeitaufwändig, weil ich nicht genau weiss, wo ich was finden kann. Brauche ich zum Beispiel ein Verlängerungskabel, so versuche ich es beim nächsten Pick’n’Pay. Der hat vielleicht grundsätzlich Verlängerungskabel, aber momentan sind sie gerade ausverkauft. Also stellt sich die Frage, wo es ein solches Kabel mit Sicherheit geben könnte? Vielleicht im Baumarkt? Der ist dann aber weiter entfernt von uns, vielleicht 15 Minuten Fahrt. Mit solchen Besorgungen ist mein Morgen im Nu verflogen und die Jungs sind schon wieder mit knurrendem Magen zurück von der Krippe, während ich noch die Hälfte meiner Einkaufsliste auf einen neuen Zettel kopiere und mir nachmittags Gedanken darüber mache, auf welche Tour ich am nächsten Tag gehen werde.
Momentan habe ich also noch keine Zeit für Kaffeeklatsch mit Lee-Anne, Petra und Sonia, die drei Ehefrauen von KehlTech-Mitarbeitern, die ich an der Party von Carmen und Urs getroffen habe. Sie haben mich alle schon angerufen, doch ich musste sie auf die nächsten Wochen vertrösten. Erst müssen wir uns im Chaos einen Überblick verschaffen.
Das erste Wochenende im neuen Haus verbringen wir in unseren ältesten Kleidern, schwitzend und schuftend. Noch immer gibt es genügend Arbeit für uns beide: Bücher im Büchergestell ordnen, Bilder suchen und aufhängen, neue Einkaufslisten schreiben, Max bei Laune halten. Bei einem Spaziergang am Golfplatz werfen wir neidische Blicke auf all die sommerlich gekleideten Familien, die sich rund um das weisse Clubhaus vergnügen. Dort wird auf der Terrasse unter Sonnenschirmen das Mittagsbuffett geplündert, Kinder springen auf der Hüpfburg oder rollen mit ihren schwarzen Plastik-Rollern den Rasenabhang herunter, Papis üben sich konzentriert im Einlochen auf dem Putting-Grün. Das wollen wir auch endlich wieder einmal, ein unbeschwertes Wochenende zu Hause. Nach mehr als acht Wochen Provisorien und Umzug von einem Kontinent zum anderen sind wir die ganze Plackerei langsam leid.
Meine Einkaufsfahrten erledige ich jetzt übrigens in Carmens altem Auto, eigentlich einem Geschäftsauto von KehlTech, das ich „geerbt“ habe. Da gibt es vor allem eins zu sagen: es ist so GROSS. So breit und lang, dass ich kein Gefühl dafür habe, wo es anfängt und aufhört. Und ich throne vorne, wie der Kapitän auf einem Hochseetanker, nur ohne ersten Offizier und vor allem ohne Lotsenboot. Am besten ich versuche, mein neues Auto vorerst
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