Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
ganz mondän: Man sitzt in seinem Wagen wie ein Formel 1-Pilot während dem Boxenstopp, wo das Auto in Windeseile gewartet wird.
Heute aber nicht. Im Nu ist der Tankwart wieder bei meiner Scheibe, händigt mir den Schlüssel aus und saust mit meiner Garage-Karte davon. In Südafrika kann man an der Tankstelle nur mit Bargeld oder einer sogenannten Garage-Karte bezahlen, Kreditkarten werden nicht akzeptiert. Heute bin ich in Rekordzeit abgefertigt und rolle kopfschüttelnd vom Platz. Dass die Tankstelle am Feierabend so gut besucht ist! Normalerweise komme ich morgens und da sind die Tankwarte nie im Stress.
Am nächsten Morgen kann ich deutlich spüren, dass wir in Afrika leben: Plötzlich haben wir kein Wasser mehr. Die Waschmaschine stoppt mitten im Programm, doch zum Glück ist zumindest das Geschirr schon abgewaschen... Noch ist diese Situation neu für mich, und ich horte keine Wasserflaschen in der Küche. Also mache ich mich auf zum Supermarkt, wo ich prompt die letzten vier Flaschen Mineralwasser kaufe. Als ich an der Kasse bin, ruft mich Lukas an: Ich solle doch besser noch das Auto auftanken, denn Johannesburg erwarte eine Benzinknappheit. Aha, na das erklärt die hektische Warteschlange von gestern an der Tankstelle! Der Grund für die erwartete Knappheit ist ein Streik der Lastwagenfahrer. Ich hoffe, dass die sich möglichst rasch einigen können. Wie auch immer das Resultat sein möge.
Am Eingang von Dainfern steht eine Information, dergemäss Joburg Water Wartungsarbeiten im Wasserverteilungsnetz vornehmen müsse, dass dies mehrere Tage in Anspruch nehmen könne und dass deshalb kein Wasser fliesse, bitte entschuldigen Sie die Umstände. Erzählt mir etwas, was ich noch nicht weiss, denke ich grimmig. Schlechtgelaunt sammle ich zu Hause die letzten Tropfen aus allen Wasserhahnen in einer Schüssel und deponiere einen Eimer mit Poolwasser in der Toilette. Immerhin haben wir ja noch ca. 20'000 Liter Wasser im Pool, wenn auch mit Chlor versetzt. Die Zähne möchte ich mir damit nicht putzen, aber für die Toilettenspülung tut’s das allemal.
Mittags, als ich Tim und Max von der Kinderkrippe abhole, sehe ich einen Tanklastwagen mit Wasser, der im Estate geparkt ist. Die Mütter der Krippenkinder, zum grösseren Teil auch Ausländer wie wir, beraten sich eifrig, was zu tun ist. Leider nicht viel. Abwarten und möglichst nicht viel trinken.
Und besser nicht kopieren, was eine deutsche Mutter erzählt: Ihr Mann war am Duschen, als die Wasserversorgung abgedreht wurde, sein Haar voller Shampoo. Klassisch, halt. Notdürftig abgetrocknet, holte er sich eine Flasche Mineralwasser aus der Küche, nur um eine Minute später panisch seine Frau zu rufen: Die Kohlensäure hatte das Shampoo so richtig zum Schäumen gebracht und bescherte dem armen Mann eine mächtige Afro-Perücke aus weissem Schaum auf seinem Haupt.
Kein fliessendes Wasser zu haben ist irritierend. Dauernd drehe ich aus Gewohnheit die Wasserhahnen auf, nur um mich dann zu ärgern, weil kein Wasser kommt.
Auch am nächsten Morgen fliesst kein Tropfen aus dem Wasserhahn im Badezimmer. Wild entschlossen, mir die Laune nicht wieder verderben zu lassen, schneide ich im Spiegel Fratzen und beobachte dann eine Weile die grosse braun-schwarz-weisse Ente, die sich wie jeden Morgen auf dem Dach unseres Nachbarhauses niedergelassen hat und sich von dort schnatternd mit ihren Kolleginnen auf anderen Dächern unterhält.
Nachdem ich die Jungs in die Krippe gebracht habe, halte ich beim Wassertankwagen, um meine leeren Plastikflaschen aufzufüllen. Die Szene dort ist afrikanisch: Man wartet vor dem Wasserhahn, jeder hat Gefässe zum Transport des kostbaren Nass gebracht, Maids balancieren volle Eimer auf ihren Köpfen nach Hause, und die Madams diskutieren eifrig, ob man das Geschirr mit Poolwasser waschen kann, ob das nur mit Wasser aus einem Salzwasser- oder auch aus einem Chlorwasser-Pool geht, ob das einen Nebengeschmack hinterlässt und ob sich das Spülmittel im Salzwasser überhaupt auflöst. Und das alles vor der Kulisse des gepflegten Dainferns, vor grossen glänzend-schwarzen Geländefahrzeugen und eleganten Sportwagen, in die sich die Madams gleich wieder schwingen werden.
Afrika hat es geschafft: Ich muss wieder lachen.
Am Nachmittag fliesst das Wasser plötzlich wieder. Und nach einem Wochenende, an dem sich alle vorsichtigerweise nicht weit von ihrem Haus entfernen, um möglichst wenig Benzin zu verbrauchen, ist der Streik der
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