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Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Titel: Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brühwiler
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helfe ich der südafrikanischen Wirtschaft, weil ich mein Geld hier ausgebe und zudem Arbeitsplätze in meinem Haus schaffe. Aber hier plagt mich das schlechte Gewissen – weil ich täglich Leute sehe, denen es nicht so gut geht wie mir. Mein schlechtes Gewissen ändert aber nichts an ihren Lebensumständen. Deshalb wahrscheinlich der Spruch wegen den Weichlingen. Er weckt auch ein bisschen den Kampfgeist in mir: Ich, ein Weichling? Da will ich aber schön bitten!
    Mein Problem ist damit noch nicht gelöst, es kann gar nicht gelöst werden. Aber ich muss lernen, damit zu leben, wenn ich mein Leben in Afrika führen will - und dazu bin ich wild entschlossen. Es gefällt mir viel zu gut in diesem Land.
    Eine direkte Folge dieser grossen Unterschiede in den Lebensumständen ist die hohe Kriminalität, für die gerade Johannesburg berüchtigt ist.
    Zu den Zeiten und an den Orten, an denen ich verkehre, fühle ich mich sehr sicher. Vielleicht bin ich aber auch nur naiv, denn wenn ich unser wöchentliches Lokalblatt lese, komme ich ins Staunen: In der mall , die am nächsten gelegen ist, wurde vor zwei Tagen ein Bombenalarm ausgelöst. In der Strasse, die ich beinahe täglich benütze, wurde vor ein paar Wochen nachts ein Auto mit Eiern beworfen, damit der Fahrer die Scheibenwischer einstellt, dank dem Geschmier nichts mehr sehen und beim Anhalten überfallen werden kann. Pro Tag werden in Johannesburg rund drei Restaurants überfallen, womit auf die Tageseinnahmen des Restaurants sowie Geldbörsen, Mobiltelefon und Schmuck der Gäste gezielt wird. Sehr verbreitet ist auch das Vorgehen, im Dunkeln in der Einfahrt eines Hauses zu warten, bis der Besitzer mit dem Auto vorfährt und das Tor öffnet, um sich dann Eintritt ins Haus zu verschaffen oder das Auto samt greifbaren Wertsachen zu stehlen. Vor „meinem“ Supermarkt steht eine Gedenktafel für einen der Besitzer, der an diesem Ort vor rund zwei Jahren erschossen wurde.
    Die Kriminalität in dieser Stadt ist unvorstellbar. Die Statistik der Polizeiwache in unserem Stadtteil schockiert: Von April 2005 bis März 2006 fanden 32 Mordfälle, 59 Vergewaltigungen, 35 Hijackings (Überfälle mit Stehlen des Fahrzeugs – dafür gibt es nicht einmal ein deutsches Wort!) und 968 Einbrüche in Wohnhäuser statt. Es ist nicht erstaunlich, dass viel gestohlen wird. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in diesen Land so riesig, dass es mir gar nicht so ungerecht erscheint, wenn Arme von den Reichen stehlen. Was aber schockiert, ist die Bereitschaft zur Gewalt. Schon für ein Mobiltelefon wird dessen Besitzer ermordet.
    Unter diesen Umständen sind wir sehr froh darüber, dass wir an einem sicheren Ort wohnen, ein Ort, wo unsere Jungs auf dem Spielplatz spielen, ihr Fahrrad fahren und andere Kinder treffen können. Das wahre Privileg von Dainfern ist nicht der Golfplatz und die mit Blumen bepflanzten Kreisel, sondern die Sicherheit, die sich die Einwohner kaufen.
    „ Eeish , die Regierung müsste viel mehr für unsere Sicherheit tun“, regt sich Clara auf, als ich das Thema vorsichtig anspreche. Mit kämpferisch vorgerecktem Kinn erklärt sie, dass die Verhältnisse unter der Apartheid-Regierung viel besser gewesen seien. Ich staune: So eine Bemerkung aus dem Mund eines Menschen, der vom Rassentrennungssystem in der Apartheid-Zeit unterdrückt wurde? Für Clara ist die Apartheid-Ära jedenfalls nicht einfach nur schlecht gewesen, so wie wir sie in Europa einschätzen. Wahrscheinlich kann kein Konflikt in der Welt in eine nur schlechte und eine nur gute Seite aufgeteilt werden, auch wenn uns der ehemalige amerikanische Präsident das glauben lassen will.

    Eines Abends Ende April biege ich kurz nach fünf Uhr in die Tankstelle vor Dainferns Eingang ein und kann meinen Augen kaum trauen: Sie ist voll! Es gibt Warteschlangen vor den Tanksäulen! Seufzend reihe ich mich in diese ein. Als ich schliesslich an der Reihe bin, ist der Tankwart deutlich im Stress. In Südafrika wird nicht selber getankt, vielmehr ist es üblich, dass die Tanksäulen bedient sind. Ich rolle jeweils vor, halte an, öffne mein Fenster, liefere dem Tankwart meinen Autoschlüssel und erkläre, wieviel von welchem Benzin ich brauche. Normalerweise bietet er von sich aus noch weitere Dienste an wie das Kontrollieren von Öl und Wasser, die Kontrolle des Reifendrucks und natürlich das Reinigen der Windschutz- und Heckscheibe. Für all’ dies gibt es selbstverständlich ein Trinkgeld. Das Gefühl ist aber doch

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