Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
der Kuchenlandschaft steht noch auf dem Tisch. Das Eis schmilzt unbeaufsichtigt vor sich hin. In der Ecke steht ein Buffett mit grosszügigen Überresten an Esswaren. Die Kindertafel ist gesprenkelt mit halb gegessenen Eisbechern, Kuchentellern und Schokoladeriegeln.
Allein die Bahnen haben „ein paar Tausend Rand“ gekostet – tausend Rand ist mehr als ein halber Monatslohn von Beauty. Vallabh wird sicher mehr als 20 Geburtstagsgeschenke erhalten haben von Menschen, die ihn gar nicht kennen und keine Ahnung haben, woran er Spass haben könnte. Er sitzt gerade im Zug draussen, allein, ohne Freunde, und lässt sich herumfahren.
Macht das Sinn? Muss ein Zweijähriger wirklich eine so grosse Party haben? Was organisieren Vallabhs Eltern ihm denn zum 16. Geburtstag, was wäre die adäquate Steigerung: Eine Sause in der Karibik, und alle seine Freunde werden eingeflogen? Wie viele Geschenke braucht er dann – 100? Und was hat er eigentlich von der Party, stand er im Mittelpunkt? Hat eigentlich irgendwer mit ihm gespielt, oder auch nur mit ihm gesprochen?
Am Schluss kriegen Tim und Max je ein Geschenk als Dank für ihr Kommen, den sogenannten party-pack . Üppig, auch diese: Ein Buch von „Thomas, der Lokomotive“, Malsachen, Süssigkeiten, eine CD mit 44 Kinderliedern.
Lukas und ich sind uns einig: Beim Wort „Dekadenz“ haben wir früher an die alten Römer gedacht. Ab heute denken wir an diese Geburtstagsfeier.
Unser Haus hat keinen Briefkasten, wie die meisten Häuser in Dainfern. Ich kann deshalb nicht sagen, dass mir ein letzter Gruss von Pumi ins Haus geflattert ist, auch wenn es gut tönen würde. Nun gut, ich habe also den letzten Gruss von Pumi auf unserem Postfach gefischt, und es ist eine Vorladung vor das Arbeitsgericht. Na bravo.
Der seltsame Briefumschlag trägt meinen Namen, was sehr ungewöhnlich ist, weil ich wenig Post kriege. Als ich ihn öffne, brauche ich erst mal ein bisschen Zeit um herauszufinden, was es ist und worum es geht. Aber dann! Wenn sie jetzt da wäre, würde ich ihr glatt die Gurgel umdrehen. Wie kann sie es wagen!! Als ob ich sie schlecht behandelt hätte!! Wenn sie es doch war, die den Job offensichtlich unter ihrer Würde fand und sich einfach von den Socken machte!! Ich kriege die totale Krise mit allem Drum und Dran und stampfe fluchend und mit fliegenden Händen durch das Haus. Ich glaube es einfach nicht, die hat MICH eingeklagt!! Die schleppt MICH vor Gericht!! ICH werde mich vor einem Richter verantworten müssen!!
Und was soll das, wenn sie gewinnt, muss ich sie wieder zurück nehmen? Ich will die ganz bestimmt nicht mehr in meinem Haus!
Lukas nickt zustimmend-nachdenklich, als ich es ihm erzähle. Ilze nicht zustimmend-nachdenklich, als ich es ihr erzähle. Und ja, auch Lee-Ann, Sonia und Christine nicken zustimmend-nachdenklich, als ich es ihnen erzähle. Der allgemeine Tenor ist, dass ein Intermezzo vor dem Arbeitsgericht nach Beendigung eines Arbeitsvertrags in Südafrika absolut normal sei. Für mich ist es aber nicht normal, dass ich vor Gericht erscheinen muss, sorry ! Und überhaupt, wie können es alle so gelassen nehmen, wenn ich vor den Kadi geschleppt werde! Sobald ich auch nur daran denke, brodeln die Wut und der Frust wieder in mir wie die Brühe im Fondue Chinoise .
Am nächsten Tag hat die Vernunft wieder die Oberhand erkämpft. Ich habe rund vier Wochen Zeit, um meinen Fall vorzubereiten, und ich schwöre, genau das werde ich tun! Schon fühle ich mich besser. Gibt’s im Fernsehen nicht einen Anwalts-Film, mit dem ich mich vielleicht weiterbilden könnte? Irgendwas mit Tom Cruise, zum Beispiel, aber in dem einen Film, den ich kenne, ist er dauernd auf der Flucht und man sieht ihn gar nicht bei der Arbeit als Anwalt. Früher gab’s doch mal noch eine Serie mit einer Anwältin, fällt mir ein: Diese „Ally MacBeal“, oder wie sie nochmals hiess. Ich habe ein einziges Mal reingeschaut, und da hat sie jeweils so komische Fratzen geschnitten oder so komisch geredet oder so, ich kann mich nicht mehr so gut erinnern – jedenfalls war es nicht nach meinem Geschmack und scheint mir auch jetzt keine grosse Hilfe zu sein.
Zum Glück unterstützt mich mein Mann. Lukas druckt mir das südafrikanische massgebliche Gesetz aus, die Government Gazette . Darin werden die Rechte und Pflichten der südafrikanischen Hausangestellten auf seeehr vielen Seiten ausführlich beschrieben. Lesestoff für die nächsten zwei Wochen.
Danach studiere ich die
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