Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
Und interessiert, voller Energie und begeisterungsfähig – Attribute, die man sonst nur der Jugend zugesteht. Schon wieder fällt eines meiner Vorurteile in sich zusammen.
Ein Blick ins Programm zeigt mir, dass nächsten Monat ein Referat gehalten wird darüber, wie ein Vater und sein Sohn den Atlantik von Spanien nach Barbados in einem Ruderboot überquert haben. Heute hören wir einen Vortrag über Vögel: Why birds do what they do .
Christine neben mir schüttelt den Kopf. „Über den Atlantik rudern, also wirklich! Hat man schon mal so was gehört!“
„Tja, wenn einer eine Reise tut... Tönt jedenfalls spannend. Irgendwie interessanter als Vögel.“
Doch als der Vortrag beginnt, hänge ich an den Lippen des Referenten. Ich wusste gar nicht, dass Vögel so faszinierend sein können! Bis anhin hatte ich mich nie besonders für die kleinen Federbälle interessiert. Klar, ohne ihren Gesang und ihre Farben und ihre Präsenz überall wäre die Welt viel langweiliger, daher schätze ich sie wirklich. Aber über das Zusammenleben der Vögel hatte ich mich nie umgehört. Ich hatte zum Beispiel keine Ahnung, wie manche Angehörigen der Vogelwelt schlaue Taktierer sind. Zum Beispiel der Webervogel, in Südafrika weit verbreitet: Das Männchen, nur ein bisschen grösser als ein Spatz, lässt sich zu Werbezwecken im Frühling ein leuchtend gelbes Federkleid wachsen. Dann beginnt er ein Nest zu bauen, und zwar eine Art auberginenförmiges Körbchen, das an einer Astspitze hängt, mit dem Eingang nach unten. So sollen die Schlangen keinen Zutritt zum Nest haben. Für dieses Körbchen muss er sich lange schmale Fasern von Pflanzen beschaffen, zum Beispiel von Palmwedeln, die er kunstvoll zu einem Gebilde verwebt. Der Referent zeigt uns ein Bild vom Nest, und ich bin mächtig beeindruckt. Ganz im Gegenteil zu Madame Webervogel: Die findet in sehr vielen Fällen das Nest ungenügend, so dass das arme Männchen sein Werk zerstören und dann ein neues Webervogel-Heim fabrizieren muss. Bis Madame gnädigerweise einzieht.
Oder der Red Bishop: Der lässt sich zur Brutzeit leuchtend orange und seidig schwarze Federn wachsen, und in den restlichen Monaten ist er ein unauffällig braunes Vögelchen.
„Ich dachte immer, die migrieren! Die gelben Webervögel, die orange-roten Bishops und die blauen Sterlinge werden hier c hristmasbirds genannt, weil man diese bunten Vögel immer zur Weihnachtszeit sieht. Ich dachte immer, die reisen im Winter nach Europa!“ flüstert mir Christine zu.
Unser Referent hat noch mehr auf Lager: Zum Beispiel den African Hoopoe, den Wiedehopf, kupferbraun, mit schwarz-weissen Federn und einem Federbüschel auf dem Kopf, der sein eigenes Nest als Toilette benützt. Ohne Spülung. Gemäss unserem Referenten weiss man, wenn ein Wiedehopf sich im Garten niedergelassen hat, weil sein Nest so richtig stinkt.
Oder den Hadeda, eine Ibis-Art, metallisch-grau glänzend und mit langem gebogenem Schnabel im Rasen stochernd. Die habe ich allerdings auch schon erlebt – diese Vögel sind kaum zu übersehen, weil sie in unseren Gärten leben, grösser sind als eine Henne und beim Auffliegen fürchterlich kreischen: „Hadeeeda!!! Hadeeeda!!!“. Am liebsten frühmorgens, eine Dreiviertelstunde vor Tagwach. Ihre schwarz-weissen Verwandten, die Sacred Ibis, wurden anscheinend von den alten Ägyptern als heilig betrachtet, mumifiziert und in den Pyramiden als Grabbeigaben beerdigt. Vielleicht ja als eine Art Wecker im Jenseits...
Dieser Morgen hat mir richtig gut getan. Meine grauen Zellen konnten sich mal wieder mit etwas anderem beschäftigen als mit den Kindern und dem Haushalt. Prima! Ich komme wieder und werde mir im
nächsten Monat anhören, wie man den Atlantik im Ruderboot überquert!
Daheim studiere ich auch noch das Programmbüchlein des International Women’s Club von Johannesburg und stelle fest, dass der Club neben der monatlichen Hauptversammlung eine Menge anderer Aktivitäten bietet: Man kocht, liest und näht zusammen, man trifft sich zum Lunch, zum Golf, zum Bridge, zum Musik hören... Hätte ich mehr Zeit, dann würde der Club sehr viel Gelegenheit bieten, um neue Dinge kennen zu lernen und viele Bekanntschaften zu machen.
Als ich Tim und Max an diesem Tag in der Krippe abhole, haben sie je eine übergrosse Zug-Fahrkarte in ihrer Tasche. Ich drehe und wende die Karte, aber ich werde nicht ganz schlau daraus: Ein gewisser Vallabh feiert seinen zweiten Geburtstag und verteilt eine
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