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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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schien, völlig erstarrt und ohne Regung; die Stirn leicht gerunzelt und düster; er glich entschieden einer leblosen Wachsfigur. Sie blieb etwa drei Minuten lang vor ihm stehen, mit stockendem Atem, und wurde plötzlich von Angst gepackt; sie entfernte sich auf Zehenspitzen, blieb aber kurz in der Tür stehen, bekreuzte ihn schnell und entfernte sich unbemerkt mit einem neuen schweren Gefühl und einem neuen Schmerz.
    Er schlief lange, über eine Stunde, immer in derselben Erstarrung; kein einziger Muskel seines Gesichts zuckte, in seinem ganzen Körper machte sich nicht die geringste Bewegung bemerkbar; die Stirn war immer noch finster gerunzelt. Wäre Warwara Petrowna noch drei Minuten länger geblieben, so hätte sie das bedrückende Gefühl angesichts dieser lethargischen Reglosigkeit nicht ertragen und hätte ihn geweckt. Aber plötzlich schlug er von selbst die Augen auf und blieb, immer noch ohne sich zu rühren, weitere zehn Minuten lang sitzen, wobei er hartnäckig und neugierig einen Gegenstand in der Zimmerecke fixierte, der offensichtlich seine Aufmerksamkeit erregt hatte, obwohl dort weder etwas Neues noch etwas Besonderes zu sehen war.
    Endlich ertönte der leise, volle Klang der großen Wanduhr, die einmal schlug. Mit einer leichten Unruhe wandte er den Kopf nach dem Zifferblatt, aber fast im selben Augenblick öffnete sich die Tür hinter ihm, die auf den Korridor hinausführte, und es erschien der Kammerdiener Alexej Jegorowitsch. Er trug über dem einen Arm einen warmen Mantel nebst Schal und Hut und in der anderen Hand einen silbernen Teller, auf dem ein Briefchen lag.
    »Halb zehn«, verkündete er leise, legte die mitgebrachten Kleidungsstücke in der Ecke auf einen Stuhl und hielt ihm den Teller mit dem Briefchen hin, einem kleinen Stück Papier, unversiegelt, mit zwei mit Bleistift geschriebenen Zeilen darauf. Nachdem Nikolaj Wsewolodowitsch diese Zeilen überflogen hatte, nahm er ebenfalls einen Bleistift vom Tisch, kritzelte zwei Worte unten auf den Zettel und legte ihn auf den Teller zurück.
    »Übergeben, sobald ich fort bin, und ankleiden«, sagte er und erhob sich.
    Als ihm auffiel, daß er das leichte Samtjackett trug, überlegte er einen Augenblick und befahl, einen anderen, den Tuchrock zu holen, den er abends bei förmlichen Anlässen zu tragen pflegte. Endlich, nachdem er sich angekleidet und den Hut aufgesetzt hatte, schloß er die Tür ab, durch die Warwara Petrowna bei ihm eingetreten war, zog den unter dem Briefbeschwerer versteckten Brief hervor und trat in Begleitung von Alexej Jegorowitsch schweigend in den Korridor hinaus. Aus dem Korridor gelangten sie auf die schmale, steinerne Hintertreppe und stiegen in den Flur hinab, der unmittelbar in den Garten führte. In einer Ecke des Flurs waren vorsorglich eine kleine Laterne und ein großer Regenschirm bereitgestellt.
    »Wegen des außerordentlichen Regens ist der Schlamm auf den hiesigen Straßen unerträglich«, meldete Alexej Jegorowitsch, was als leiser Versuch gemeint war, seinen Herrn von dessen Vorhaben abzubringen. Der Herr aber spannte den Schirm auf und trat schweigend in den alten Garten hinaus, in dem es dunkel war wie in einem Keller, durch und durch feucht und triefend naß. Der Wind rauschte und bog die Wipfel der halbentblößten Bäume, die schmalen, sandbestreuten Wege waren matschig und glatt. Alexej Jegorowitsch hatte sich nichts übergezogen; in Frack und ohne Hut leuchtete er auf dem Weg mit der kleinen Laterne, etwa drei Schritte voraus.
    »Fällt es nicht auf?« fragte plötzlich Nikolaj Wsewolodowitsch.
    »Aus den Fenstern fällt es nicht auf, davon abgesehen ist alles vorbedacht«, antwortete der Diener leise und gemessen.
    »Meine Mutter ist zur Ruhe gegangen?«
    »Gnädige Frau haben sich nach der Gewohnheit der letzten Tage Schlag neun eingeschlossen, und es ist ihnen jetzt nicht möglich, das Geringste zu merken. Um wieviel Uhr wünschen Sie erwartet zu werden?« Er nahm sich heraus, eine Frage hinzuzufügen.
    »Eins, halb zwei, auf keinen Fall später als zwei.«
    »Jawohl.«
    Nachdem sie auf gewundenen Wegen den Garten, in dem beide jeden Baum und Strauch kannten, durchquert hatten, erreichten sie die Mauer und fanden dort, genau in der Mauerecke, eine kleine Pforte, die zu einer engen abgelegenen Sackgasse führte und fast immer verschlossen war, aber jetzt befand sich der Schlüssel in der Hand Alexej Jegorowitschs.
    »Die Tür wird doch nicht knarren?« erkundigte sich wiederum Nikolaj

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