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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Brief aus Amerika nicht zu Ende gelesen? Vielleicht überhaupt nicht gelesen?«
    »Ich habe drei Bogen gelesen, die beiden ersten und den letzten und außerdem die Mitte flüchtig überflogen. Übrigens hatte ich es mir immer wieder vorgenommen …«
    »Ach, lassen wir das! Hol’s der Teufel!« Schatow winkte ab. »Wenn Sie sich heute von Ihren damaligen Worten über das Volk lossagen, wie konnten Sie sie damals aussprechen? … Das ist es, was mich jetzt bedrückt.«
    »Ich habe Sie auch damals nicht zum besten gehalten; als ich Sie überzeugen wollte, geschah es vielleicht mehr um meinetwillen als um Ihretwegen«, sagte Stawrogin rätselhaft.
    »Nicht zum besten gehalten! In Amerika habe ich drei Monate lang auf Stroh gelegen, Seite an Seite mit einem Unglücklichen, und habe von ihm erfahren, daß Sie zur selben Zeit, da Sie mir Gott und Heimat ins Herz pflanzten, zur selben Zeit, vielleicht sogar am selben Tag, das Herz dieses Unglücklichen vergifteten, dieses Monomanen, Kirillow … Sie haben immer wieder Lüge und Verleumdung in ihm genährt und seinen Geist bis zum Äußersten getrieben … Gehen Sie doch jetzt hin und sehen Sie ihn an, das ist Ihr Werk … Übrigens haben Sie ihn gesehen.«
    »Ich möchte Ihnen zunächst entgegnen, daß Kirillow selbst mir soeben gesagt hat, daß er glücklich und daß er sehr gut sei. Ihre Annahme, daß dies alles zur selben Zeit geschah, ist ungefähr richtig; nun, und was folgt daraus? Ich wiederhole, daß ich keinen, weder Sie, noch ihn, getäuscht habe.«
    »Sind Sie Atheist? Sind Sie jetzt Atheist?«
    »Ja.«
    »Und damals?«
    »Ebenso damals.«
    »Ich habe Sie nicht um meinetwillen um Achtung gebeten, als unser Gespräch begann; bei Ihrem Verstand sollten Sie das begreifen«, murmelte Schatow zornig.
    »Ich bin nach Ihrem ersten Wort nicht aufgestanden, habe das Gespräch nicht abgebrochen, habe Sie nicht stehenlassen, sondern ich sitze hier und antworte brav auf Ihre Fragen und … Schreie. Folglich läßt meine Achtung noch nicht zu wünschen übrig.«
    Schatow winkte ab und fiel ihm ins Wort:
    »Erinnern Sie sich an Ihre Worte: ›Ein Atheist kann nicht Russe sein, ein Atheist hört sogleich auf, Russe zu sein‹, erinnern Sie sich?«
    »Ja?« Nikolaj Wsewolodowitsch schien ungewiß.
    »Sie fragen? Haben Sie es vergessen? Dabei war das einer der genauesten Hinweise auf eine der wichtigsten Eigenarten des russischen Geistes, die Sie erkannt hatten. Das können Sie doch nicht vergessen haben? Ich werde Sie noch an mehr erinnern, Sie sagten zur selben Zeit: ›Ein Nicht-Rechtgläubiger kann nicht Russe sein‹.«
    »Ich nehme an, das ist ein Gedanke der Slawophilen.«
    »Nein; die heutigen Slawophilen würden ihn ablehnen. Heute sind die Leute klüger. Damals gingen Sie noch weiter: Sie glaubten, daß der römische Katholizismus kein Christentum mehr sei; Sie behaupteten, daß Rom einen Christus verkünde, der der dritten Versuchung erlegen wäre, und daß der Katholizismus, der der ganzen Welt predigt, Christus könne auf Erden ohne ein irdisches Paradies nicht bestehen, dadurch den Antichrist verkünde und damit die gesamte westliche Welt ins Unheil stürze. Sie namentlich waren es, der darauf hinwies, es sei einzig und allein die Schuld des Katholizismus, wenn Frankreich jetzt ein Martyrium durchmache, denn es habe den gen Himmel stinkenden Gott Roms gestürzt, einen neuen aber nicht gefunden. Solche Dinge haben Sie damals sagen können! Ich erinnere mich an unser Gespräch.«
    »Wenn ich heute glaubte, würde ich das alles zweifellos auch heute wiederholen; ich habe nicht gelogen, als ich wie ein Gläubiger sprach«, sagte Nikolaj Wsewolodowitsch mit großem Ernst. »Aber ich versichere Ihnen, daß diese Wiederholung meiner einstigen Gedanken auf mich einen ausgesprochen unangenehmen Eindruck macht. Wäre es Ihnen möglich, damit aufzuhören?«
    »Wenn Sie glaubten!« rief Schatow, ohne die Bitte im geringsten zu beachten. »Waren Sie es denn nicht, der mir gesagt hat, daß Sie, wenn man Ihnen mathematisch bewiese, daß die Wahrheit außerhalb Christi sei, lieber mit Christus als mit der Wahrheit bleiben würden? Haben Sie das gesagt? Haben Sie das?«
    »Aber erlauben Sie auch mir, endlich zu fragen«, Stawrogin hob die Stimme, »was dieses ungeduldige und … bösartige Examen bedeutet?«
    »Dieses Examen wird für immer vorbei sein, und Sie werden sich nie mehr daran erinnern.«
    »Sie beharren darauf, daß wir uns außerhalb von Raum und Zeit

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