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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Recht dazu habe. Sagen Sie mir: Haben Sie Ihren Hasen bereits gepackt, oder läuft er noch frei herum?«
    »Unterstehen Sie sich, mich mit solchen Worten zu fragen, fragen Sie mit anderen, mit anderen!« Plötzlich bebte Schatow am ganzen Leibe.
    »Wie Sie wünschen, dann also mit anderen«, Nikolaj Wsewolodowitsch sah ihn kalt an. »Ich wollte nur eines wissen: Glauben Sie selbst an Gott oder nicht?«
    »Ich glaube an Rußland, ich glaube an seine Rechtgläubigkeit, ich glaube an den Leib Christi … Ich glaube, daß die Wiederkunft Christi in Rußland geschehen wird … Ich glaube …«, stotterte Schatow wie außer sich.
    »Aber an Gott? An Gott?«
    »Ich … Ich werde an Gott glauben.«
    Kein Muskel rührte sich in Stawrogins Gesicht. Schatow starrte ihn flammend, herausfordernd an, als wollte er ihn mit seinem Blick verbrennen.
    »Ich habe Ihnen doch nicht gesagt, daß ich überhaupt nicht glaube!« rief er endlich. »Ich tue Ihnen nur kund, daß ich ein unglückseliges, langweiliges Buch bin und nichts weiter, vorläufig, vorläufig … Aber in den Orkus mit meinem Namen! Es geht um Sie und nicht um mich. Ich habe kein Talent und kann nur mein Blut hingeben, weiter nichts, wie jeder Mensch ohne Talent. Aber in den Orkus auch mit meinem Blut! Ich spreche von Ihnen, ich habe hier zwei Jahre lang auf Sie gewartet … Seit einer halben Stunde tanze ich vor Ihnen splitternackt herum. Sie, Sie als einziger, könnten dieses Banner entrollen! …«
    Er brach ab, stützte wie in Verzweiflung die Ellbogen auf den Tisch und legte den Kopf in die Hände.
    »Ich möchte Sie nur nebenbei auf eine Kuriosität hinweisen«, unterbrach ihn Stawrogin plötzlich, »warum wollen mir alle irgendein Banner aufdrängen? Pjotr Werchowenskij ist ebenfalls überzeugt, ich könnte ›ihr Banner entrollen‹, so wurde es mir jedenfalls kolportiert. Er ist von dem Gedanken besessen, ich könnte für sie die Rolle eines Stenjka Rasin übernehmen, aufgrund ›außergewöhnlicher Befähigung zum Verbrechen‹, auch das sollen seine Worte sein.«
    »Wie?« fragte Schatow. »›Aufgrund außerordentlicher Befähigung zum Verbrechen?‹«
    »So ist es.«
    »Hm. Ist es wahr«, Schatow lächelte boshaft, »ist es wahr, daß Sie in Petersburg einer viehischen, wollüstigen geheimen Gesellschaft angehört haben? Ist es wahr, daß der Marquis de Sade bei Ihnen hätte in die Lehre gehen können? Ist es wahr, daß Sie Kinder zu sich gelockt und mißbraucht haben? Reden Sie, und unterstehen Sie sich zu lügen!« schrie er völlig außer sich. »Ein Nikolaj Stawrogin darf vor Schatow, der ihn ins Gesicht geschlagen hat, nicht lügen! Sagen Sie alles, und wenn das wahr ist, werde ich Sie sofort, im selben Augenblick, auf der Stelle erschlagen!«
    »Ich habe diese Worte gesagt, aber Kinder habe nicht ich mißbraucht«, sprach Stawrogin, aber erst nach einem viel zu langen Schweigen. Er war blaß geworden, und in seinen Augen flammte es auf.
    »Aber Sie haben es gesagt!« fuhr Schatow gebieterisch fort, ohne die funkelnden Augen von ihm abzuwenden. »Ist es wahr, daß Sie behauptet haben, keinen ästhetischen Unterschied zu kennen zwischen wollüstiger Bestialität und einer Heldentat, sogar dem Opfer des eigenen Lebens für die Menschheit? Ist es wahr, daß Sie an beiden Polen eine deckungsgleiche Schönheit, denselben Genuß finden?«
    »So kann man unmöglich antworten … ich will nicht antworten«, murmelte Stawrogin, der jederzeit hätte aufstehen und fortgehen können, aber nicht aufstand und nicht fortging.
    »Ich weiß auch nicht, warum das Böse häßlich ist und das Gute schön, aber ich weiß, warum das Gefühl für den Unterschied bei solchen Herrschaften wie den Stawrogins verblaßt und sich verliert.« Schatow, der wie Espenlaub zitterte, gab sich nicht zufrieden. »Wissen Sie eigentlich, warum Sie damals geheiratet haben, so schmählich und gemein? Gerade deshalb, weil in diesem Fall die Schmach und die Sinnlosigkeit an Genialität grenzten! Oh, Sie wandeln nicht am Rande des Abgrunds, sondern Sie stürzen sich entschlossen kopfüber hinein. Sie haben geheiratet aus Leidenschaft für Qual, aus Leidenschaft für Gewissensbisse, aus moralischer Wollust. Es waren die Nerven, ein Nadryw … Die Herausforderung an den gesunden Menschenverstand war zu verführerisch! Ein Stawrogin und eine schäbige, schwachsinnige, bettelarme Lahme! Empfanden Sie etwa keine Wollust, als Sie den Gouverneur ins Ohr bissen? Empfanden Sie keine Wollust? Sie

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