Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
verwandelt. Ich bitte Sie, sich an Ihren eigenen Ausspruch zu erinnern: ›Wissen Sie, wie stark ein einzelner Mensch sein kann?‹ Bitte, lachen Sie nicht, er ist durchaus fähig, abzudrücken und zu feuern. Die sind überzeugt, ich sei ebenfalls ein Spitzel. Da sie alle außerstande sind, ihre Sache voranzutreiben, beschuldigen sie einander furchtbar gern der Spionage.«
»Aber Sie haben doch keine Angst?«
»N-nein … Ich habe keine besonders große Angst … Aber Ihre Situation ist eine ganz andere. Ich habe Sie gewarnt, damit Sie sich vorsehen. In diesem Fall darf man sich, meiner Meinung nach, nicht daran stören, daß es Dummköpfe sind, von denen Gefahr droht; es geht nicht um ihre Intelligenz; schon gegen ganz andere als Sie und mich haben sie die Hand erhoben. Übrigens, es ist schon Viertel nach elf«, sagte er mit einem Blick auf die Uhr und erhob sich. »Ich hätte Ihnen gern eine Frage gestellt, die damit nichts zu tun hat.«
»Um Gottes willen!« rief Schatow und sprang stürmisch auf.
»Wie bitte?« Nikolaj Wsewolodowitsch sah ihn fragend an.
»Stellen Sie, stellen Sie doch Ihre Frage, um Gottes willen«, wiederholte Schatow in unbeschreiblicher Erregung, »aber unter der Bedingung, daß auch ich Ihnen eine Frage stellen darf. Ich flehe Sie an, gestatten Sie es mir … ich kann nicht … stellen Sie Ihre Frage!«
Stawrogin wartete einen Augenblick und begann:
»Ich habe gehört, daß Sie hier einigen Einfluß auf Marja Timofejewna hatten und daß sie es liebte, Sie zu sehen und Ihnen zuzuhören. War das so?«
»Ja … sie hörte mir zu …«, bestätigte Schatow etwas verlegen.
»Ich habe die Absicht, in den nächsten Tagen hier in der Stadt meine Ehe mit ihr öffentlich bekanntzugeben.«
»Ist es möglich?« flüsterte Schatow fast entsetzt.
»Wie meinen Sie das? Da gibt es keinerlei Schwierigkeiten; die Trauzeugen sind zur Stelle. Damals in Petersburg ging alles völlig legal und ruhig vonstatten, und wenn es bis jetzt nicht bekanntgeworden ist, so nur deshalb, weil die beiden einzigen Zeugen, Kirillow und Pjotr Werchowenskij, und nicht zuletzt Lebjadkin selbst (den ich von nun an als meinen Verwandten zu betrachten das Vergnügen habe), damals ihr Wort gegeben haben zu schweigen.«
»Ich meinte etwas anderes … Sie sprechen so ruhig … aber reden Sie weiter! Hören Sie, man hat Sie doch nicht mit Gewalt zu dieser Heirat gezwungen, nicht wahr?«
»Nein, niemand hat mich mit Gewalt gezwungen.« Nikolaj Wsewolodowitsch lächelte über Schatows ungestümes Drängen.
»Und wie kommt sie dazu, von ihrem Kind zu reden?« fragte Schatow in fieberhafter Hast zusammenhanglos weiter.
»Sie redet von ihrem Kind? Oh! Davon wußte ich nichts, ich höre es zum ersten Mal. Sie hat nie ein Kind gehabt, und sie konnte keines haben: Marja Timofejewna ist Jungfrau.«
»Aha! Das habe ich mir gedacht! Hören Sie!«
»Was haben Sie, Schatow?«
Schatow schlug die Hände vors Gesicht, wandte sich ab, packte aber plötzlich Stawrogin fest bei der Schulter.
»Wissen Sie denn, wissen Sie wenigstens«, schrie er, »warum Sie das alles getan haben und warum Sie sich jetzt zu einer solchen Züchtigung entschließen?«
»Ihre Frage ist klug und bissig, aber ich will Sie ebenfalls in Erstaunen setzen: Ja, ich weiß beinahe, warum ich damals geheiratet habe und warum ich mich jetzt zu dieser ›Züchtigung‹, wie Sie sich ausdrücken, entschließe.«
»Lassen wir das … Davon später, warten Sie damit; es geht um die Hauptsache, die Hauptsache: Ich habe zwei Jahre auf Sie gewartet.«
»Ja?«
»Ich habe viel zu lange auf Sie gewartet, ich habe ununterbrochen an Sie gedacht. Sie sind der einzige Mensch, der in der Lage ist … Ich habe Ihnen schon aus Amerika darüber geschrieben.«
»Ich erinnere mich sehr genau an Ihren langen Brief.«
»Einen zu langen, um zu Ende gelesen zu werden? Zugegeben; sechs Bogen. Schweigen Sie! Schweigen Sie! Sagen Sie: Können Sie mir weitere zehn Minuten gewähren, aber jetzt, sofort … Ich habe zu lange auf Sie gewartet!«
»Ganz nach Belieben, ich gewähre Ihnen eine halbe Stunde, aber nicht mehr, wenn es Ihnen möglich ist.«
»Aber unter der Bedingung«, fiel Schatow hitzig ein, »daß Sie Ihren Ton ändern. Hören Sie, ich fordere, während ich betteln müßte … Begreifen Sie, was das bedeutet, zu fordern, während man betteln müßte?«
»Ich begreife, daß Sie sich auf diese Weise über alles Banale erheben, um höherer Ziele willen«, Nikolaj
Weitere Kostenlose Bücher