Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
gerühmt wird. Unsere Einkünfte sind, wie der Herr selber wissen, bald ein Büschel Heu wie ’ne Hippe, bald mit der Forke eins in die Rippe. Am Freitag, beispielsweise, hab’ ich mir den Ranzen mit Piroggen vollgeschlagen, wie Martin mit Seife, und hab’ seitdem einen Tag nichts gegessen, den nächsten überschlagen und am dritten wieder gefastet. Im Fluß ist Wasser reichlich vorhanden, da will ich Karauschen in meinem Bauch züchten … Möchte doch der Herr seine Hand nicht verschließen; und ich werde hier gleich um die Ecke von einer Gevatterin erwartet, aber ohne Rubelchen darf man ihr nicht unter die Augen treten.«
»Was hat dir denn Pjotr Stepanowitsch von mir in Aussicht gestellt?«
»Nicht, daß sie mir etwas in Aussicht gestellt haben, sondern es mündlich ausgedrückt, daß ich vielleicht Euer Gnaden einen Gefallen erweisen könnt’, wenn sich mal so ein Fall ergibt, zum Beispiel, aber womit, das wurde nicht erklärt, und was Genaues blieb auch aus, weil Pjotr Stepanowitsch meine Geduld, zum Beispiel, auf Kosakenart auf die Probe stellt und gar kein Vertrauen zu mir hat.«
»Und warum nicht?«
»Pjotr Stepanowitsch is’ ein Astrolom, und er kennt alle Planiden Gottes, aber auch an ihm kann man ’was aussetzen. Ich spreche vor Ihnen wie vorm Wahrhaftigen, denn wir haben vielerlei von Ihnen gehört. Pjotr Stepanowitsch is’ das eine, und Sie, gnäd’ger Herr, sind vielleicht noch was andres. Wenn’s bei ihm von einem Menschen heißt: Schuft, dann hat dieser Mensch außer ›Schuft‹ nichts mehr von ihm zu erwarten. Und wenn’s bei ihm heißt – ›Esel‹, dann wird dieser Mensch von ihm nichts anderes hören. Ich aber bin vielleicht nur dienstags und mittwochs ein Esel, und donnerstags bin ich klüger als er selber. Und nun weiß er von mir, daß es mir herzlichst um den Paß zu tun is’ – weil es in Rußland nicht ohne ein Papier geht –, da glaubt er schon, daß er meine Seele in seiner Gewalt hat. Pjotr Stepanowitsch, muß ich Ihnen sagen, gnädiger Herr, hat ein sehr leichtes Leben auf der Welt, weil er sich einen Menschen ausdenkt und dann mit einem solchen Menschen lebt. Und dann is’ er arg geizig. Und dann sind sie der Meinung, daß ich nicht wage, Sie hinter ihrem Rücken zu belästigen, während ich, gnäd’ger Herr, vor Ihnen wie vorm Allmächtigen sage, daß ich bereits die vierte Nacht hier auf der Brücke auf Euer Gnaden warte, aus dem Grunde, weil ich selbst auf leisen Sohlen meinen eigenen Weg finden kann. Wenn ich mich schon verbeugen muß, dann schon lieber vorm Stiefel als vorm Bastschuh.«
»Und wer hat dir gesagt, daß ich nachts über diese Brücke gehen werde?«
»Das ist, zugegeben, auf Umwegen gekommen, dank der Dummheit von Hauptmann Lebjadkin, weil sie ein Mensch sind, der rein gar nichts für sich behalten kann … Also fallen drei Rubelchen zu Lasten Euer Gnaden für drei Tage und drei Nächte, die Langeweile mitgerechnet. Und daß die Kleider naß wurden, da wollen wir anstandshalber von absehen.«
»Ich muß nach links, du nach rechts; die Brücke ist zu Ende. Höre, Fjodor, ich liebe es, daß man mein Wort ein für allemal versteht: Du bekommst von mir nicht eine Kopeke, du darfst mir künftig weder auf der Brücke noch sonstwo über den Weg laufen, ich brauche dich nicht und werde dich niemals brauchen, und wenn du nicht gehorchst – werde ich dich binden und zur Polizei bringen. Marsch!«
»O je! Dann wenigstens für die Begleitung ’ne kleine Gabe, in Gesellschaft war der Weg kurzweiliger.«
»Fort!«
»Kennen Sie denn hier den Weg? Jetzt kommen lauter solche Gassen … da könnt’ ich sie führen, denn die hiesige Stadt is’ so, als hätt’ sie der Teufel im Korb durchgerüttelt und auf offenem Feld ausgeschüttet.«
»Paß auf, ich binde dich!« Nikolaj Wsewolodowitsch wandte sich drohend um.
»Vielleicht werden Sie sich’s doch überlegen, gnäd’ger Herr; ’s is’ nicht schwer, einer armen Waise ein Leids anzutun.«
»Nein, du fühlst dich wohl sehr sicher?«
»Ich bin, gnäd’ger Herr, Ihrer sicher, meiner selbst aber nicht so sehr.«
»Ich brauche dich nicht, ich habe es dir gesagt!«
»Aber ich brauch’ Sie, gnäd’ger Herr, das is es. Ich warte hier, bis Sie zurückkommen, was soll ich schon machen.«
»Ehrenwort: Wenn ich dich treffe – werde ich dich binden.«
»Dann werd’ ich also ’nen Gürtel bereithalten. Glück auf den Weg, gnäd’ger Herr, immerhin hat sich eine arme Waise unter Ihrem
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