Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Jefimjewskij-Bogorodskij-Kloster.«
»Und was soll das?«
»Nichts. Man sucht ihn auf, zu Fuß und im Wagen. Gehen Sie doch hin; warum nicht? Ja, warum nicht?«
»Ich habe noch nie von ihm gehört und … diese Sorte Menschen noch nie gesehen. Ich danke Ihnen, ich werde hingehen.«
»Hierher.« Schatow leuchtete ihm die Treppe hinunter. »Gehen Sie«, und er stieß die Torpforte zur Straße auf.
»Ich werde nie mehr zu Ihnen kommen, Schatow«, sagte Stawrogin leise, indem er über die Torschwelle trat.
Die Dunkelheit und der Regen hielten unverändert an.
Zweites Kapitel
Die Nacht (Fortsetzung)
I
ER ging die ganze Bogojawlenskaja-Straße hinunter; schließlich ging es bergab, seine Füße rutschten im Schlamm, und plötzlich öffnete sich vor ihm ein weiter, nebliger und scheinbar leerer Raum – der Fluß. Die Häuser hatten sich in Hütten verwandelt, die Straße verlor sich in einem Gewirr von Sackgassen. Nikolaj Wsewolodowitsch suchte lange seinen Weg an den Zäunen entlang, ohne sich vom Ufer zu entfernen, aber er ging unbeirrt weiter und dachte sogar kaum an den Weg. Er war mit etwas ganz anderem beschäftigt und blickte sogar erstaunt auf, als er sich plötzlich, aus tiefem Nachdenken erwachend, fast auf der Mitte unserer langen, nassen Flachbootbrücke fand. Keine Menschenseele weit und breit, so daß es ihn seltsam anmutete, als plötzlich, kaum auf Armeslänge entfernt, eine höflich-vertrauliche, übrigens recht angenehme Stimme ertönte, mit jenem manieriert-skandierenden Akzent, dessen sich unsere überzivilisierten Kleinbürger oder junge lockenköpfige Handelsgehilfen aus dem Gostinnyi Rjad befleißigen.
»Wird’s dem gnädigen Herrn recht sein, wenn ich mich an des gnädigen Herrn Schirm beteilige?«
Tatsächlich drängte sich eine Gestalt unter seinen Schirm, vielmehr gab sie sich den Anschein, als wolle sie sich unter seinen Schirm drängen. Der Landstreicher ging nun neben ihm, beinahe »auf Tuchfühlung«, wie unsere Soldaten sagen. Nikolaj Wsewolodowitsch beugte sich ein wenig vor, um ihn sich anzusehen, soweit es die Dunkelheit erlaubte: ein Mann mittlerer Größe, vielleicht ein Kleinbürger auf Sauftour, unansehnlich und auch nicht warm gekleidet; auf seinem zottigen, krausen Kopf eine nasse Tuchmütze mit halb abgerissenem Schirm. Nikolaj Wsewolodowitsch glaubte einen starken dunkelhaarigen Mann vor sich zu haben, dunkelhäutig und hager; mit großen Augen, die schwarz sein mußten, sehr glänzend und mit gelblichem Augenweiß, wie bei den Zigeunern; dies alles war sogar in der Dunkelheit zu erkennen. Er mochte um die vierzig sein, und er war nicht betrunken.
»Du kennst mich?« fragte Nikolaj Wsewolodowitsch.
»Herr Stawrogin, Nikolaj Wsewolodowitsch; Hochwohlgeboren wurden mir auf dem Bahnhof gezeigt, kaum, daß die Maschine stehen blieb, am vorigen Sonntag. Außerdem war uns schon vorher genügend zu Ohren gekommen.«
»Von Pjotr Stepanowitsch? Bist du … bist du Fedjka Katorschnyi ?«
»Getauft wurde ich auf den Namen Fjodor Fjodorowitsch; bis jetzt haben wir unsere natürliche Mutter in dieser Gegend wohnen, ein gottgefälliges Frauchen, das gen Erde wächst und für uns tagtäglich, Tag und Nacht, zu Gott betet, um seine Zeit auf dem Ofen nicht zu vergeuden.«
»Du bist aus dem Zuchthaus entlaufen?«
»Hab’ mein Los gewechselt. Hab’ Bücher, Glocken und Kirchenbücher übergeben, weil’s mir bestimmt war, mich im Zuchtfillgen aufzuhalten, und da wurde mir die Zeit zu lang, bis es endlich rum war.«
»Und was tust du hier?«
»Siebenmal Tag und Nacht, und die Woche ist verbracht. Unser Onkelchen haben letzte Woche im hiesigen Gefängnis von wegen der Blüten das Zeitliche gesegnet. Da hab’ ich das Totenmahl gehalten und zwei Dutzend Steine den Hunden vorgesetzt – das waren bis jetzt unsere Taten alle. Und dann macht mir Pjotr Stepanowitsch vielerlei Hoffnungen auf einen Paß, der fürs ganze Mütterchen Rußland gilt – da bin ich wiederum im Warten tätig, weil, sagen sie, der Herr Papa dich im engelländischen Club beim Kartenkloppen verspielt hat; und ich, sagen sie, halte derlei Unmenschliches für ungerecht. Möchten der Herr mir nicht eine Kleinigkeit von drei Rubelchen für’n Tee, um mich zu wärmen, genehmigen?«
»Du hast also hier auf mich gewartet; das mag ich nicht. Wer hat dir das befohlen?«
»Von wegen befohlen, kein Mensch hat was befohlen, ich tat’s einzig und allein im Vertrauen auf des Herrn Menschlichkeit, die in aller Welt
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