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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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dies zusammen und gleichzeitig mit den Wunschträumen von den Töchtern des Grafen K. Aber davon soll später die Rede sein. Selbstverständlich brachte die Gesellschaft Warwara Petrowna von neuem eine außerordentliche und zuvorkommende Hochachtung entgegen, aber sie nahm dies kaum zur Kenntnis und fuhr nun sehr selten aus.
    Allerdings machte sie einen offiziellen Besuch bei der Gattin des Gouverneurs. Selbstverständlich gab es niemand, der von den oben zitierten vielsagenden Worten Julija Michajlownas auf der Abendgesellschaft der Adelsmarschallin mehr begeistert und entzückt war als Warwara Petrowna: Sie hatten ihr bekümmertes Herz erleichtert und auf einen Schlag manche Fragen gelöst, die sie seit jenem unglückseligen Sonntag peinigten. »Ich habe diese Frau nicht verstanden!« gestand sie und erklärte unumwunden in der ihr eigenen stürmischen Art Julija Michajlowna, daß sie gekommen sei, um sich bei ihr zu bedanken. Julija Michajlowna fühlte sich geschmeichelt, tat aber unbeeindruckt. Sie war sich um diese Zeit ihres Wertes bereits bewußt, vielleicht sogar ein wenig zu sehr. Sie erwähnte zum Beispiel im Laufe des Gesprächs, daß sie noch nie auch nur das geringste über das Wirken und die Gelehrsamkeit Stepan Trofimowitschs vernommen habe.
    »Natürlich empfange ich den jungen Werchowenskij und sympathisiere mit ihm. Er ist unvernünftig, aber er ist noch jung; im übrigen mit soliden Kenntnissen. Aber, wie dem auch sei, er ist etwas anderes als so ein verabschiedeter ehemaliger Kritiker.«
    Warwara Petrowna beeilte sich richtigzustellen, daß Stepan Trofimowitsch niemals Kritiker, sondern, ganz im Gegenteil, zeit seines Lebens ihr Hausgenosse gewesen sei. Seine Berühmtheit verdanke er gewissen Umständen zu Beginn seiner Karriere, »die aller Welt sattsam bekannt sind«, und in allerletzter Zeit seinen Studien zur spanischen Geschichte; gegenwärtig beabsichtige er, über die heutige Lage der Universitäten in Deutschland zu schreiben und vermutlich auch noch über die Dresdner Madonna. Mit einem Wort, Warwara Petrowna war nicht bereit, Stepan Trofimowitsch Julija Michajlowna auszuliefern.
    »Über die Dresdner Madonna? Das heißt über die Sixtina? Chère Warwara Petrowna, ich habe zwei Stunden lang vor diesem Bild gesessen und bin enttäuscht weggegangen. Ich habe überhaupt nichts verstanden und mich sehr gewundert. Karmasinow sagt auch, es wäre schwer zu verstehen. Jetzt findet keiner mehr etwas Besonderes daran, die Russen nicht, die Engländer auch nicht. Ihr ganzer Ruhm rührt von dem Gefasel der Alten her.«
    »Eine neue Mode also?«
    »Ich denke, daß man auch unseren Jungen ihr Recht zugestehen muß, man zetert, sie seien Kommunisten, aber meiner Meinung nach sollte man mit ihnen Nachsicht haben und sie schätzen. Ich lese jetzt alles – sämtliche Zeitungen, Kommunen, Naturwissenschaften –, ich habe alles abonniert, weil man doch schließlich wissen muß, wo man lebt und mit wem man es zu tun hat. Man darf doch nicht das ganze Leben auf den Gipfeln der eigenen Phantasien verbringen. Ich habe meine Schlüsse gezogen und mir zur Regel gemacht, mit der Jugend zu sympathisieren, um sie dadurch am Rande des Abgrunds zurückzuhalten. Glauben Sie mir, Warwara Petrowna, daß wir alle, die Gesellschaft, sie durch wohltuenden Einfluß und insbesondere durch Sympathie vor dem Abgrund retten können, in den die Intoleranz all dieser Tattergreise sie hineinstößt. Ich freue mich übrigens, daß ich von Ihnen etwas über Stepan Trofimowitsch erfahren habe. Sie bringen mich auf einen Gedanken: Er könnte uns bei unserer literarischen Matinee nützlich sein. Wissen Sie, ich beabsichtige, während des ganzen Tages ein unterhaltendes Programm anzubieten, mit einer Subskriptionsliste zugunsten der notleidenden Gouvernanten unseres Gouvernements. Sie sind über ganz Rußland verstreut; in einem einzigen Kreis werden bei uns bis zu sechs solcher Frauen gezählt, außerdem zwei Telegraphistinnen, zwei studieren an der Akademie, die anderen würden es auch gern tun, aber vielen mangelt es an den Mitteln. Das Los der russischen Frau ist entsetzlich, Warwara Petrowna! Heute wird darüber an den Universitäten gelehrt, und es wird sogar im Staatsrat erörtert. In unserm sonderbaren Rußland kann man ungehindert alles tun, wozu man Lust hat. Und eben darum könnten wir nur mit Sympathie und durch unmittelbare Anteilnahme der ganzen Gesellschaft die große allgemeine Aufgabe in die richtige Bahn lenken. Mein

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