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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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desto genüßlicher und gedehnter spräche. Er pflegte selber die Worte genüßlich zu dehnen, aber das fiel ihm nicht auf.
    Der General war kompetent und konnte durchaus mitreden. Nicht nur, daß er, ein entfernter Verwandter Artemij Pawlowitschs, mit diesem zerstritten war und sogar mit ihm prozessierte, sondern er hatte selbst zwei Duelle hinter sich und war sogar irgendwann einmal wegen des einen degradiert und in den Kaukasus versetzt worden. Irgendwann fiel der Name Warwara Petrownas, die zum zweiten Mal »nach der Krankheit« wieder ausgefahren sei, dabei ging es nicht einmal um sie selbst, sondern nur um ihren prächtigen Viererzug aus dem eigenen Stawroginschen Gestüt. Plötzlich ließ der General verlauten, daß er heute dem »jungen Stawrogin« zu Pferd begegnet sei … Alle verstummten augenblicklich. Der General schmatzte mit den Lippen und verkündete plötzlich, indem er seine goldene, ihm von höchster Stelle verliehene Tabaksdose zwischen den Fingern drehte: »Bedaure, daß ich hier vor einigen Jahren nicht anwesend war – das heißt, ich weilte in Karlsbad … Hm. Mich interessiert dieser junge Mann, über den ich damals so viele verschiedene Gerüchte hier vorfand.
    Hm. Ist es wahr, daß er verrückt ist? Damals hat das irgend jemand behauptet. Plötzlich kommt mir zu Ohren, daß ihn hier ein Student beleidigt hat, in Gegenwart von Cousinen, da soll er vor ihm unter den Tisch gekrochen sein; gestern aber höre ich von Stepan Wysozkij, Stawrogin hätte sich mit diesem … Gaganow duelliert … Und zwar einzig mit dem galanten Zweck, einem Tollgewordenen die Stirn zu bieten; um ihn loszuwerden. Hm. Das waren die Sitten bei der Garde in den zwanziger Jahren. Verkehrt er hier irgendwo?«
    Der General verstummte, als erwarte er eine Antwort. Der allgemeinen Ungeduld stand nun die Tür offen.
    »Gibt es etwas Einfacheres?« Julija Michajlowna, dadurch gereizt, daß alle plötzlich wie auf Kommando ihre Blicke auf sie richteten, erhob plötzlich die Stimme. »Was ist schon Erstaunliches dabei, daß Stawrogin sich mit Gaganow duellierte und den Studenten laufenließ? Er konnte doch nicht seinen früheren Leibeigenen fordern!«
    Ein vielsagendes Wort! Ein einfacher und klarer Gedanke, der bis jetzt noch keinem in den Sinn gekommen war. Ein Wort, das außerordentliche Folgen nach sich zog. Alles, was Skandal und Gerücht war, alles Kleinliche und Anekdotenhafte rückte mit einem Schlag in den Hintergrund; eine ganz andere Bedeutung trat ins Rampenlicht. Es zeigte sich eine neue Persönlichkeit, die alle verkannt hatten, eine Persönlichkeit von fast ideal strengen Begriffen. Nach einer tödlichen Kränkung durch einen Studenten, das heißt einen gebildeten Menschen, keinen Leibeigenen mehr, setzt er sich über diese ihm zugefügte Beleidigung hinweg, weil der Beleidiger – sein eigener Leibeigener gewesen ist. In der Gesellschaft lauter Aufregung und Klatsch; die leichtsinnige Gesellschaft blickt mit Verachtung auf einen Menschen herab, dem man ins Gesicht geschlagen hat; dieser verachtet die Meinung einer Gesellschaft, die zu den wahren Begriffen noch nicht herangereift ist, dabei aber unentwegt von ihnen redet.
    »Und wir beide, Iwan Alexandrowitsch, sitzen indessen hier und reden von den richtigen Begriffen«, bemerkte ein uraltes Clubmitglied in einem Anfall edler Selbstbezichtigung zu einem anderen.
    »Jawohl, Pjotr Michajlowitsch, jawohl«, pflichtete der andere genüßlich bei, »da sage einer etwas über die heutige Jugend.«
    »Die Jugend ist es nicht, Iwan Alexandrowitsch«, mischte sich ein dritter ein. »Hier geht es nicht um die Jugend; hier ist ein Stern, jawohl, und nicht ein beliebiger junger Mann; so muß man das verstehen.«
    »Gerade das, was uns fehlt; in unserer Zeit sind große Männer selten.«
    Es ging vor allem darum, daß der »neue Mensch« nicht nur »von Kopf bis Fuß von Adel«, sondern noch dazu der reichste Großgrundbesitzer unseres Gouvernements war, folglich nichts anderes als ein Retter und Mann der Tat werden konnte. Ich habe auch schon früher die Stimmung unter unseren Grundbesitzern flüchtig erwähnt.
    Man redete sich sogar in Feuer:
    »Nicht nur, daß er den Studenten nicht gefordert hat, Euer Exzellenz, er nahm die Hände sogar hinter den Rücken, beachten Sie das ganz speziell, Euer Exzellenz«, betonte der eine.
    »Und ihn auch nicht vor unser neues Gericht gezerrt hat!« fügte ein anderer hinzu.
    »Obwohl das neue Gericht ihn wegen der persönlichen

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