Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
schüttelte plötzlich seine Hand ab und drehte sich rasch mit drohend gerunzelten Brauen nach ihm um. Pjotr Stepanowitsch sah ihn mit einem eigentümlichen, langen Lächeln an. Das alles dauerte nur einen Augenblick. Nikolaj Wsewolodowitsch ging weiter.
II
ER lief von Warwara Petrowna aus sogleich bei seinem alten Herrn vorbei, und wenn er es so eilig hatte, dann einzig und allein aus Bosheit, um sich für eine frühere, mir bis dahin völlig unbekannt gebliebene Kränkung zu rächen. Es ging darum, daß bei ihrer letzten Begegnung, nämlich in der vorigen Woche am Donnerstag, Stepan Trofimowitsch, der übrigens selbst den Streit vom Zaun gebrochen hatte, schließlich und endlich Pjotr Stepanowitsch mit dem Stock davonjagte. Damals hatte er diesen Zwischenfall vor mir verheimlicht; jetzt aber, kaum, daß Pjotr Stepanowitsch mit seinem üblichen, so naiv-arroganten Lächeln und dem unangenehm neugierigen, in alle Ecken spähenden Blick hereingelaufen kam, machte Stepan Trofimowitsch mir heimlich ein Zeichen, daß ich das Zimmer nicht verlassen solle. Auf diese Weise erfuhr ich von ihren wirklichen Beziehungen, denn dieses Mal hörte ich ihr ganzes Gespräch mit.
Stepan Trofimowitsch saß mit ausgestreckten Beinen auf der Couchette. Seit jenem Donnerstag war er abgemagert und sah gelb aus. Pjotr Stepanowitsch nahm mit der allervertraulichsten Miene, die Beine ungeniert untergeschlagen, neben ihm Platz, wobei er auf der Couchette wesentlich mehr Platz beanspruchte, als der Respekt vor seinem Vater es erlaubt hätte. Stepan Trofimowitsch rückte würdevoll schweigend zur Seite.
Auf dem Tisch lag ein aufgeschlagenes Buch. Es war der Roman » Was tun? « Leider muß ich eine sonderbare Schwäche unseres Freundes eingestehen: Der Traum, daß er aus seiner Abgeschiedenheit hervortreten und eine letzte Schlacht schlagen müsse, bemächtigte sich seiner korrumpierten Phantasie immer mehr. Ich erriet, daß er sich diesen Roman beschafft hatte und ihn studierte, um im Falle einer unvermeidlichen Konfrontation mit den »Winselnden« deren Schliche und Argumente an ihrem eigenen »Katechismus« im voraus zu erkennen und, auf diese Weise vorbereitet, in ihren Augen sie alle in feierlichem Triumph aufs Haupt zu schlagen. Oh, wie sehr hatte ihn dieses Buch gequält! Verzweifelt schlug er es manchmal zu, sprang auf und schritt beinahe außer sich im Zimmer auf und ab.
»Ich gebe zu, daß der Hauptgedanke des Verfassers richtig ist«, hatte er zu mir fast im Fieber gesagt, »aber gerade deshalb um so entsetzlicher! Das ist doch unsere eigene Idee, genau unsere; wir, wir waren die ersten, die sie gepflanzt, gezogen, vorbereitet haben – was könnten sie überhaupt Neues sagen, sie, unsere Nachfolger! Aber mein Gott! Wie ist das alles ausgedrückt, entstellt, verstümmelt!« hatte er gerufen und mit den Fingern auf das Buch getrommelt. »Waren es etwa diese Resultate, die wir anstrebten? Wer könnte hier die ursprüngliche Idee noch erkennen?«
»Du tust wohl etwas für deine Bildung?« fragte Pjotr Stepanowitsch grinsend, nachdem er das Buch vom Tisch genommen und den Titel gelesen hatte. »Das war schon längst fällig. Ich bringe dir etwas Besseres, wenn du willst.«
Stepan Trofimowitsch schwieg sich immer noch würdevoll aus. Ich saß in einer Sofaecke.
Pjotr Stepanowitsch erklärte in wenigen Worten den Grund seines Kommens. Natürlich war Stepan Trofimowitsch über alle Maßen verblüfft und hörte in einer Mischung von Schrecken und höchster Empörung zu.
»Und diese Julija Michajlowna rechnet darauf, daß ich kommen und bei ihr lesen werde!«
»Das heißt, sie haben an dir kein besonderes Interesse. Im Gegenteil, sie zeigen Sympathie für dich, um sich bei Warwara Petrowna einzuschmeicheln. Aber es versteht sich von selbst, daß du nicht wagen wirst, dich zu weigern. Und ich könnte mir denken, daß du auch selbst die größte Lust verspürst zu lesen.« Er grinste. »Ihr alle, das alte Eisen, ihr seid ja höllisch ambitioniert! Aber paß auf, es darf nicht zu langweilig sein. Hast du eigentlich etwas vorrätig, spanische Geschichte vielleicht? Du mußt mir das ein paar Tage vorher zum Durchlesen geben, sonst schläferst du womöglich alle ein.«
Die hastige und allzu unverhohlene Grobheit dieser Sticheleien war zweifellos vorsätzlich. Es sollte der Anschein entstehen, mit Stepan Trofimowitsch sei überhaupt in einer anderen Sprache und feineren Begriffen nicht zu reden. Stepan Trofimowitsch blieb unbeirrt bei
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