Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Geistchen, das den Schnupfen hat, eines von den nicht arrivierten. Aber, Dascha, Sie wagen schon wieder nicht, etwas zu sagen?«
Sie warf ihm einen schmerzlichen und vorwurfsvollen Blick zu und wandte sich zur Tür.
»Hören Sie!« rief er ihr nach, mit einem boshaften, verzerrten Lächeln. »Wenn … na ja, mit einem Wort, wenn … verstehen Sie, wenn ich mich auf das Geschäft einlassen und Sie dann rufen würde – würden Sie sogar dann, nach diesem Geschäft kommen?«
Sie schlug die Hände vor das Gesicht und ging hinaus, ohne sich umzudrehen und ohne zu antworten.
»Sie wird schon kommen, auch nach dem Geschäft!« flüsterte er nach einigem Nachdenken, und sein Gesicht nahm einen angewiderten und verächtlichen Ausdruck an: »Krankenpflegerin! Hm! … Übrigens ist das gerade das Richtige für mich, möglicherweise.«
Viertes Kapitel
Alle in Erwartung
I
DER Eindruck, den die schnell sich verbreitende Kunde von dem Duell auf unsere ganze Gesellschaft machte, war besonders bemerkenswert durch die Einmütigkeit, mit der sich alle beeilten, uneingeschränkt für Nikolaj Wsewolodowitsch Partei zu ergreifen. Viele seiner früheren Feinde erklärten sich mit aller Entschiedenheit für seine Freunde. Die Hauptursache dieses unerwarteten Sinneswandels in der öffentlichen Meinung waren einige außerordentlich treffende Worte, die, von einer bisher eher zurückhaltenden Persönlichkeit laut geäußert, mit einem Schlag dem Ereignis eine Bedeutung verliehen, die für die meisten von uns von höchstem Interesse war. Das geschah folgendermaßen: Ausgerechnet am ersten Tag nach dem Ereignis versammelte sich die ganze Stadt bei der Gattin des Adelsmarschalls unseres Gouvernements, die an diesem Tag ihren Geburtstag feierte. Anwesend, vielmehr alle in den Schatten stellend, war auch Julija Michajlowna, die in Begleitung einer in Schönheit und besonderer Heiterkeit erstrahlenden Lisaweta Nikolajewna erschienen war, ein Umstand, der in einigen unserer Damen an diesem Tag sofort einen ganz besonderen Argwohn erregte. Beiläufig sei bemerkt, daß an ihrer Verlobung mit Mawrikij Nikolajewitsch inzwischen nicht mehr der geringste Zweifel herrschen durfte. Auf die neckische Frage eines bereits verabschiedeten, aber sehr angesehenen Generals, von dem im weiteren Verlauf der Geschichte noch die Rede sein wird, antwortete Lisaweta Nikolajewna an diesem Abend freimütig, sie sei verlobt. Und weiter? Keine, nicht eine einzige unserer Damen war willens, an diese Verlobung zu glauben. Alle dachten unbeirrt auch weiterhin an einen Roman, an irgendein geheimnisvolles Familiendrama, das sich irgendwo in der Schweiz, und zwar unbedingt unter Julija Michajlownas Mitwirkung, abgespielt haben mußte. Schwer zu sagen, warum alle diese Gerüchte oder sogar, sozusagen, Wunschträume sich so beharrlich hielten und warum gerade Julija Michajlowna so unbedingt beteiligt gewesen sein sollte. Kaum war sie eingetreten, richteten alle eigentümliche Blicke auf sie, die voller Erwartung waren. Es sei bemerkt, daß bei dieser Abendgesellschaft von dem noch so frischen Ereignis und von gewissen begleitenden Umständen noch mit einiger Behutsamkeit und niemals laut gesprochen wurde. Auch war noch nichts über die Anordnungen der Behörden bekannt. Beide Duellanten waren, soviel man wußte, unbehelligt geblieben. Es war bekannt, daß Artemij Pawlowitsch am frühen Vormittag ungehindert auf sein Gut Duchowo abgereist war. Indessen lechzten alle danach, daß irgend jemand als erster davon anfangen und dadurch der allgemeinen Ungeduld Tür und Tor öffnen möchte. Man hoffte auf keinen anderen als den oben genannten General, und man sollte sich nicht getäuscht haben.
Dieser General, eines der imposantesten Mitglieder unseres Clubs, ein Gutsbesitzer, nicht sonderlich reich, aber von ganz wundervoller Denkungsart, ein altmodischer Courschneider, liebte es über die Maßen, vor allem auf großen Gesellschaften, laut, mit allem Aplomb seines Ranges, gerade davon zu reden, wovon die anderen immer noch vorsichtig flüsterten. Das war sozusagen seine spezielle Rolle in unserer Gesellschaft. Dabei dehnte er die Worte ganz besonders und artikulierte sie genüßlich, eine Gewohnheit, die er wahrscheinlich von russischen Reisenden im Ausland oder von den ehemals reichen russischen Gutsbesitzern, die nach der Bauernreform am schlimmsten verarmt waren, übernommen hatte. Stepan Trofimowitsch bemerkte sogar einmal, daß ein Grundbesitzer, je mehr er verarmt sei,
Weitere Kostenlose Bücher