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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Gott, wir haben nicht viele lichte Persönlichkeiten! Natürlich gibt es einige, aber sie sind über das ganze Land verstreut. Wir wollen uns zusammenschließen und stärker werden. Kurz, zuerst findet bei mir die literarische Matinee statt, anschließend ein leichtes Gabelfrühstück, dann eine Pause und am Abend ein Ball. Wir hatten vor, den Abend mit lebenden Bildern zu eröffnen, aber das macht wohl zuviel Unkosten, deshalb sollen für das Publikum nur ein oder zwei Quadrillen in Masken und charakteristischen Kostümen getanzt werden, um die bekannten Richtungen der Literatur zu versinnbildlichen. Diesen Scherz hat Karmasinow vorgeschlagen, er hilft mir sehr viel. Wissen Sie, er wird bei uns sein letztes Werk vorlesen, das bis jetzt noch keiner kennt. Er legt die Feder aus der Hand und wird nicht mehr schreiben; dieser letzte Essay ist sein Abschied vom Leserpublikum, ein entzückendes Kabinettstückchen mit dem Titel: ›Merci‹. Der Titel ist französisch, aber er findet ihn scherzhafter und sogar raffinierter. Ich finde das auch, ich war es ja, die ihm dazu geraten hat. Ich denke, Stepan Trofimowitsch könnte ebenfalls etwas lesen, wenn es nur nicht zu lang ist und nicht zu gelehrt. Ich glaube, Pjotr Stepanowitsch und noch irgend jemand haben auch vor, etwas zu lesen. Pjotr Stepanowitsch wird bei Ihnen vorbeischauen und Sie über das Programm unterrichten, oder, besser noch, Sie gestatten mir, es Ihnen persönlich zu überbringen.«
    »Und Sie gestatten mir, mich in Ihre Liste einzutragen. Ich werde es Stepan Trofimowitsch ausrichten und ihn persönlich darum bitten.«
    Als Warwara Petrowna nach Hause zurückkehrte, war sie endgültig bezaubert; sie war Feuer und Flamme für Julija Michajlowna und aus unerfindlichen Gründen bitterböse auf Stepan Trofimowitsch; der Arme hatte unterdessen nichtsahnend zu Hause gesessen.
    »Ich bin in sie verliebt und kann nicht begreifen, wie ich mich in dieser Frau so irren konnte«, erzählte sie Nikolaj Wsewolodowitsch und Pjotr Stepanowitsch, der gegen Abend bei ihr vorbeischaute.
    »Dennoch müssen Sie sich mit dem Alten aussöhnen«, dozierte Pjotr Stepanowitsch, »er ist verzweifelt. Sie haben ihn vollends in die Küche verbannt. Gestern ist er Ihrer Equipage begegnet, er hat gegrüßt, und Sie haben sich abgewandt. Wissen Sie, wir werden ihn ins Rampenlicht stellen; ich habe mit ihm etwas vor, und er kann noch nützlich sein.«
    »Oh, er wird lesen.«
    »Ich meine nicht nur das. Ich wollte sowieso heute bei ihm vorbeischauen. Soll ich es ihm ausrichten?«
    »Wenn Sie möchten. Ich weiß ja nicht, wie Sie das machen wollen«, sagte sie unschlüssig, »ich hatte vor, mich persönlich mit ihm auszusprechen und den Tag und den Ort dafür vorzuschlagen.« Ihr Gesicht verdüsterte sich zusehends.
    »Aber ich bitte Sie, es lohnt sich doch nicht, einen Termin dafür vorzuschlagen. Ich werde es ihm einfach ausrichten.«
    »Meinetwegen, dann richten Sie es ihm aus. Aber fügen Sie hinzu, daß ich ihm unbedingt noch einen Termin vorschlagen werde. Fügen Sie das unbedingt hinzu.«
    Pjotr Stepanowitsch lief grinsend davon. In diesen Tagen war er überhaupt, soweit ich mich erinnere, besonders boshaft und erlaubte sich sogar, fast allen gegenüber vor lauter Ungeduld ausfällig zu werden. Sonderbarerweise wurde er von allen nachsichtig behandelt. Überhaupt herrschte die Meinung, er müsse nach ganz besonderen Maßstäben beurteilt werden. Ich möchte anmerken, daß er auf das Duell von Nikolaj Wsewolodowitsch außerordentlich boshaft reagiert hatte. Es hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen; er wurde sogar grün im Gesicht, als man ihm davon erzählte. Vielleicht war er in seiner Eigenliebe verletzt: Er hörte davon erst am nächsten Tag, als alle es schon wußten.
    »Aber Sie hatten doch kein Recht, sich zu schlagen«, flüsterte er Stawrogin ins Ohr, bereits fünf Tage später, als er ihn zufällig im Club traf. Sonderbar, daß sie einander während dieser fünf Tage nirgends über den Weg gelaufen waren, obwohl Pjotr Stepanowitsch fast täglich bei Warwara Petrowna vorbeischaute.
    Nikolaj Wsewolodowitsch sah ihn schweigend an, er schien zerstreut, als verstünde er nicht, wovon die Rede wäre und ging, ohne stehenzubleiben, weiter. Er durchquerte gerade den großen Clubsaal auf dem Weg zum Buffet.
    »Sie waren auch bei Schatow … Sie wollen Marja Timofejewna publizieren«, er lief hinter ihm her und packte ihn aus Zerstreutheit bei der Schulter.
    Nikolaj Wsewolodowitsch

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