Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
seinem Entschluß, die Beleidigungen zu überhören. Aber die ihm mitgeteilten Neuigkeiten erschütterten ihn immer mehr.
»Und sie selbst, sie selbst hat befohlen, daß … Sie mir dies ausrichten?« fragte er und wurde kreidebleich.
»Das heißt, sie hat vor, dir Ort und Zeit für eine gegenseitige Aussprache anzugeben; das sind die Reste eures sentimentalen Getues. Du hast zwanzig Jahre lang mit ihr kokettiert und hast ihr die lächerlichsten Gewohnheiten beigebracht. Aber du kannst ruhig sein, jetzt ist alles ganz anders; sie wiederholt ja selbst alle Augenblicke, daß ihr erst jetzt ›die Augen aufgehen‹. Ich habe ihr klipp und klar erklärt, daß eure ganzen Herzensergießungen nichts anderes waren als ein Ausschütten des Dreckeimers auf beiden Seiten. Sie hat mir viel erzählt, mein Guter; pfui, was für eine Lakaienrolle hast du in dieser ganzen Zeit gespielt! Sogar ich bin deinetwegen errötet.«
»Ich hätte eine Lakaienrolle gespielt?« Stepan Trofimowitsch konnte nicht länger an sich halten.
»Noch schlimmer, du hast das Gnadenbrot gegessen, das heißt, du warst Lakai aus freien Stücken. Du warst zu bequem, um zu arbeiten, aber du hattest immer Appetit auf das liebe Geld! Jetzt weiß sie Bescheid; jedenfalls war es entsetzlich, was sie mir von dir erzählt hat. Weißt du, mein Guter, ich habe mich über deine Briefe an sie totgelacht; peinlich und ekelhaft! Aber ihr seid ja alle so verderbt, so verderbt! Im Almosen steckt etwas für immer Verderbendes, und dafür bist du ein Paradebeispiel!«
»Sie hat dir meine Briefe gezeigt!«
»Alle. Das heißt, wie hätte ich sie alle durchlesen können? O je, wieviel Papier du vollgeschrieben hast, ich glaube, dort liegen über zweitausend Briefe … Und weißt du, Alter, ich glaube, es gab zwischen euch einmal einen Augenblick – war sie da nicht drauf und dran, dich zu heiraten? Wie dumm von dir, eine solche Gelegenheit zu verpassen! Ich sehe das natürlich von deinem Standpunkt aus, aber es wäre immer noch besser gewesen als jetzt, wo man dich um ein Haar mit ›fremden Sünden‹ verkuppelt hätte, wie einen Hofnarren, zur allgemeinen Belustigung, für Geld.«
»Für Geld! Sie, sie sagt, für Geld!« rief Stepan Trofimowitsch schmerzlich getroffen.
»Was denn sonst? Aber reg dich nicht auf, ich hab’ dich ja verteidigt. Das ist doch das einzige Argument zu deiner Rechtfertigung. Sie hat doch selbst begriffen, daß du Geld brauchst, wie jeder andere auch, und daß du so gesehen nicht einmal im Unrecht bist. Ich habe ihr bewiesen, wie zwei mal zwei gleich vier, daß ihr beide, jeder von euch, seinen Vorteil gehabt hat; sie als Kapitalistin und du als ihr sentimentaler Hofnarr. Das Geld übrigens nimmt sie dir nicht übel, obwohl du sie wie eine Ziege gemolken hast. Sie ist nur böse, daß sie zwanzig Jahre lang an dich geglaubt hat. Und daß du sie mit dem Vornehmtun hereingelegt und gezwungen hast, so lange zu lügen. Sie wird niemals zugeben, daß sie auch selbst gelogen hat, und dafür wirst du den doppelten Preis zahlen müssen. Ich kann nicht begreifen, wie du nicht darauf gekommen bist, daß dir einmal unweigerlich die Rechnung präsentiert wird. Du warst doch immerhin nicht ganz auf den Kopf gefallen. Ich habe ihr gestern geraten, dich in ein Altersheim zu stecken, du kannst beruhigt sein, in ein gehobenes, es soll dir nichts abgehen; ich glaube, sie wird es tun. Erinnerst du dich noch an deinen letzten Brief an mich, in’s Gouvernement Ch …, vor drei Wochen?«
»Hast du ihn ihr etwa gezeigt?« Stepan Trofimowitsch fuhr entsetzt in die Höhe.
»Aber gewiß doch! Als erstes! Es war der Brief, in dem du mich wissen ließest, daß sie dich ausbeutet, dich um dein Talent beneidet – ja, und dann die ›fremden Sünden‹. In dir, mein Lieber, steckt eine ganz schöne Portion Egoismus! Zum Totlachen! Im allgemeinen sind deine Briefe unüberbietbar langweilig; du schreibst einen entsetzlichen Stil. Ich habe sie oft überhaupt nicht gelesen, ein Brief liegt bei mir immer noch unaufgebrochen herum. Morgen kannst du ihn wieder haben. Aber dieser, dein letzter Brief – das ist der Gipfel der Vollkommenheit! Hab’ ich gelacht! Hab’ ich gelacht!«
»Ungeheuer! Du bist ein Ungeheuer!« rief Stepan Trofimowitsch.
»Pfui Teufel, man kann sich ja mit dir überhaupt nicht unterhalten! Hör mal, bist du jetzt wieder eingeschnappt, wie letzten Donnerstag?«
Stepan Trofimowitsch richtete sich drohend auf:
»Wie kannst du es wagen, mit mir
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