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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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und zwar nicht nach dem zweiten Wort, sondern nur, weil Sie auf Ihre Rechte pochten. Kann ich etwas dafür, daß Sie so beschränkt sind und immer noch nichts begriffen haben? Sie sind beleidigt und ärgern sich – das ist des Rätsels Lösung für Ihre Generation.«
    »Dumme Gans!« entfuhr es dem Major.
    »Und Sie sind ein dummer Esel.«
    »Paß nur auf!«
    »Aber gestatten Sie, Kapiton Maximowitsch, Sie haben mir doch selbst einmal gesagt, daß Sie nicht an Gott glauben«, krähte Liputin vom anderen Ende des Tisches.
    »Was tut es schon, daß ich das gesagt habe, ich bin jemand ganz anderes! Möglicherweise glaube ich auch, nur nicht so ganz. Und wenn ich auch nicht so ganz glaube, werde ich doch niemals sagen, daß man Gott erschießen müsse. Ich habe noch bei den Husaren gedient, als ich mir über Gott meine Gedanken machte. Es ist in allen Gedichten üblich, daß der Husar säuft und Feste feiert; vielleicht habe ich auch gesoffen, aber nachts, ob Ihr’s mir glaubt oder nicht, da bin ich aus dem Bett gefahren und habe, bloß in den Socken, ein Kreuz nach dem anderen vor der Ikone geschlagen, damit Gott mir Glauben schenken möge, weil ich schon damals keine Ruhe fand: Gibt es einen Gott, oder gibt es keinen? So teuer mußte ich damals bezahlen! Wenn der Tag kam, wurde ich freilich wieder abgelenkt, und der Glaube schien wieder verlorenzugehen, und ich habe überhaupt bemerkt, daß am Tag der Glaube immer ein wenig verlorengeht.«
    »Wird denn hier nicht Karten gespielt?« fragte Werchowenskij die Gastgeberin, wobei er mit weit aufgerissenem Mund gähnte.
    »Ich kann Ihre Frage nur allzugut nachempfinden!« platzte die Studentin heraus, die vor Entrüstung über die Worte des Majors puterrot geworden war.
    »Man verliert nur kostbare Zeit, wenn man alberne Reden anhören muß«, sagte die Gastgeberin scharf und warf ihrem Mann einen auffordernden Blick zu.
    Die Studentin holte tief Luft und begann:
    »Ich hatte vor, den Anwesenden von den Leiden und dem Protest der Studenten zu berichten, da aber die Zeit mit unmoralischen Gesprächen vergeudet wird …«
    »Es gibt weder Moralisches noch Unmoralisches!« Der Gymnasiast konnte sich nicht einen Augenblick beherrschen, sobald die Studentin den Mund aufmachte.
    »Das war mir bekannt, Herr Gymnasiast, und zwar lange bevor man es Ihnen beibrachte.«
    »Und ich behaupte«, parierte dieser aufgebracht, »daß Sie ein aus Petersburg angereister Backfisch sind, um uns über Dinge aufzuklären, die uns allen hinlänglich bekannt sind. Über das Gebot: ›Du sollst Vater und Mutter ehren‹, das Sie nicht einmal richtig zitieren konnten, und auch darüber, daß dieses Gebot unmoralisch ist, weiß seit Belinskij jeder Mensch in Rußland bestens Bescheid.«
    »Hört das nicht irgendwann auf?« fragte M me. Wirginskaja mit großer Entschiedenheit ihren Mann. Als Gastgeberin genierte sie sich wegen der nichtigen Unterhaltung, ganz besonders, als sie das Lächeln und sogar das Befremden der neuen Gäste bemerkte.
    »Meine Herrschaften!« ertönte plötzlich die Stimme Wirginskijs. »Sollte jemand wünschen, mit einem Beitrag zu beginnen, der enger mit der Sache zusammenhängt, oder irgend etwas mitzuteilen, so schlage ich vor, sofort damit anzufangen, damit keine Zeit verlorengeht.«
    »Darf ich mir die Frage erlauben«, sagte sehr bescheiden der hinkende Lehrer, der bislang geschwiegen und besonders artig dagesessen hatte, »ich möchte gerne wissen, halten wir hier, in diesem Moment, eine Sitzung ab, oder sind wir einfach eine Gesellschaft ganz gewöhnlicher Sterblicher, die einen Besuch abstatten? Ich frage danach mehr der Ordnung halber und um jede Unsicherheit auszuschließen.«
    Die »hinterlistige« Frage machte Eindruck; man warf sich Blicke zu, jeder schien vom anderen eine Antwort zu erwarten, und plötzlich, wie auf Kommando, richteten sich aller Blicke auf Werchowenskij und Stawrogin.
    »Ich schlage einfach vor, über die Frage abzustimmen: ›Halten wir eine Sitzung ab oder nicht?« sagte M me. Wirginskaja.
    »Ich schließe mich diesem Vorschlag ohne Einschränkungen an«, ließ sich Liputin vernehmen, »auch wenn er ein wenig unbestimmt ist.«
    »Ich schließe mich ebenfalls an, ich auch!« hörte man verschiedene Stimmen.
    »Auch ich glaube, daß dann tatsächlich mehr Ordnung herrschen wird«, bekräftigte Wirginskij.
    »Also abstimmen!« verkündete die Gastgeberin. »Ljamschin, bitte, setzen Sie sich ans Klavier; Sie können auch von dort Ihre Stimme

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