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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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als Karmasinow endgültig einwilligte, sein »Merci« zu lesen (während er bis dahin das Komitee hatte schmoren lassen und ewig ausgewichen war), um dadurch die bloße Idee des Essens in den Köpfen unseres gefräßigen Publikums auszumerzen. Auf diese Weise wurde der Ball wiederum zu einem prachtvollen Fest, wenn auch ein wenig anderer Art. Um dennoch auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben, wurde beschlossen, daß zu Beginn des Balles Tee mit Zitrone und kleinem rundem Gebäck, später Limonade und Orgeade gereicht werden sollte und gegen Ende sogar Eis, aber das wäre auch alles. Für diejenigen aber, die immer und überall hungrig und vor allem durstig sind, könnte am Ende der Zimmerflucht ein Buffet aufgebaut werden, unter der Regie von Prochorytsch (dem Chefkoch des Clubs), der – übrigens unter strengster Aufsicht des Komitees – alles Gewünschte servieren würde, aber selbstverständlich gegen Bezahlung, worauf Anschläge an den Saaltüren hinweisen müßten, mit dem Hinweis, daß das Buffet im Programm nicht inbegriffen sei. Während der Matinee jedoch sollte das Buffet geschlossen bleiben, um die Lesungen nicht zu stören, obgleich zwischen dem Buffet und dem Weißen Saal, in dem zu lesen Karmasinow sich bereit erklärt hatte, fünf Räume lagen. Merkwürdigerweise hatte das Komitee diesem Ereignis, das heißt der Lesung des »Merci«, eine riesige, übertriebene Bedeutung beigemessen, sogar die praktisch veranlagten Mitglieder. Was aber die poetischen anbelangt, so hatte zum Beispiel die Adelsmarschallin Karmasinow angekündigt, daß sogleich nach der Lesung an der Wand ihres Weißen Saals eine Marmortafel angebracht werden würde mit der goldenen Inschrift, daß an dem und dem Tage hier, an dieser Stelle, der große russische und europäische Schriftsteller die Feder niedergelegt und sich von dem russischen Publikum in Gestalt der Vertreter unserer Stadt verabschiedet hätte und daß alle diese Inschrift lesen würden, noch während des Balles, das heißt nur fünf Stunden nach der Lesung von »Merci«. Ich weiß mit Sicherheit, daß es vor allem Karmasinow war, der gefordert hatte, das Buffet während der Matinee geschlossen zu halten, solange er las, trotz der Einwände verschiedener Komiteemitglieder, daß dergleichen gegen unsere Gepflogenheiten sei.
    Dies war der Stand der Dinge, während man in der Stadt immer noch an ein Belsazar-Gelage glaubte, das heißt an ein vom Komitee gratis angebotenes Buffet; man glaubte es bis zur letzten Stunde. Sogar die jungen Damen träumten von einem Berg Konfekt und Konfitüre und anderen unerhörten Leckereien. Alle wußten, daß die Einnahmen überreichlich ausgefallen waren, daß die ganze Stadt herbeiströmen, daß man aus den Landkreisen anreisen würde und die Karten nicht ausreichten. Es war ebenfalls bekannt, daß bedeutende Spenden über den festgesetzten Preis hinaus eingegangen wären: Warwara Petrowna zum Beispiel hatte für ihre Karte dreihundert Rubel bezahlt und stellte für den Saalschmuck sämtliche blühenden Pflanzen aus ihrer Orangerie zur Verfügung; die Adelsmarschallin (ein Komiteemitglied) – ihr Haus und die Beleuchtung; der Club – das Orchester, die Bedienung und für den ganzen Tag Prochorytsch. Es waren auch noch andere Spenden eingegangen, wenn auch nicht so bedeutende, so daß man erwogen hatte, den ursprünglichen Preis für das Billett von drei auf zwei Rubel herabzusetzen. Das Komitee hatte tatsächlich anfangs befürchtet, daß bei drei Rubeln die jungen Damen nicht kommen könnten, und hatte vorgeschlagen, Familienbilletts anzubieten, dergestalt, daß jede Familie nur für eine junge Dame zu zahlen brauchte, während alle anderen zur Familie gehörenden jungen Damen, auch wenn es zehn Exemplare wären, freien Eintritt haben sollten. Aber alle Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet: Im Gegenteil, gerade die jungen Damen erschienen in besonders großer Zahl. Sogar die ärmsten Beamten kamen mit ihren Töchtern, und es war allzu deutlich, daß sie selbst, wenn sie keine Töchter gehabt hätten, nicht einmal im Traum auf den Gedanken gekommen wären, sich in die Liste einzutragen. Der dürftigste Sekretär brachte seine sieben Töchter, die Gattin und auch noch eine Nichte mit, und jede dieser Damen hielt ein Billett zu drei Rubel in der Hand. Man kann sich kaum vorstellen, welch eine Revolution in der Stadt ausgebrochen war! Allein der Umstand, daß das Fest in zwei Veranstaltungen geteilt war, verlangte von jeder

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