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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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man wenigstens im Club. Bemängelt wurde nur, daß er dabei in Hitze geraten war. »Man sollte kaltblütig bleiben, nun gut, ihm fehlt eben die Erfahrung«, meinten Kenner der Materie. Mit der gleichen Neugier richteten sich alle Blicke auf Julija Michajlowna. Selbstverständlich hat niemand das Recht, von mir als Berichterstatter allzu weit gehende Details bezüglich eines gewissen Punktes zu verlangen: Hier waltet ein Geheimnis, hier waltet das Weibliche. Nur eines weiß ich genau: Gegen Abend des gestrigen Tages hatte sie das Kabinett Andrej Antonowitschs betreten und es lange nach Mitternacht verlassen. Andrej Antonowitsch wurde vergeben, er wurde getröstet. Die Gatten stimmten nun in allem überein, alles war vergessen, und als von Lembke am Ende der Aussprache dennoch auf die Knie fiel, weil er sich voller Entsetzen an Höhepunkt und Ende der Episode in der vorletzten Nacht erinnerte, da hatten das reizende Händchen und dann die Lippen der Gattin dem glühenden Fluß von Reue und Selbstbezichtigung eines ritterlich feinfühligen, aber von Rührung entkräfteten Mannes Einhalt geboten. Alle sahen das strahlende Glück in ihrem Gesicht. Sie schritt dahin, ihre Miene war offen, ihre Toilette prächtig. Sie schien den Gipfel aller Wünsche erreicht zu haben; das Fest, Ziel und Krönung ihrer Politik, fand wirklich statt. Auf dem Weg zu ihren Plätzen, unmittelbar vor dem Podium, grüßten die Lembkes und erwiderten Grüße. Sie wurden sogleich umringt. Die Adelsmarschallin stand auf und ging ihnen entgegen … Aber da kam es zu einem bösen Mißverständnis: Das Orchester spielte ohne jeden Anlaß einen ohrenbetäubenden Tusch – keinen Marsch, sondern einfach einen Tusch, wie bei uns im Club, wenn man bei einem offiziellen Essen auf jemandes Wohl anstößt. Heute weiß ich, daß dies auf Veranlassung Ljamschins in seiner Eigenschaft als Festordner geschehen war, angeblich zu Ehren der eintretenden »Lembkes«. Natürlich hätte er sich ohne weiteres damit herausreden können, aus Unwissenheit oder Übereifer gehandelt zu haben … Leider wußte ich damals noch nicht, daß sie auf Ausreden keinen Wert mehr legten und mit dem heutigen Tage den Schlußpunkt setzen wollten. Aber der Tusch war noch nicht alles: Während das Publikum ärgerlich und befremdet lächelte, ertönte plötzlich im Hintergrund des Saales und von der Galerie her ein »Hurra«, vorgeblich ebenfalls zu Ehren Lembkes. Es waren nicht viele Stimmen, aber die Hurrarufe setzten sich eine Zeitlang fort. Julija Michajlowna wurde feuerrot, und ihre Augen sprühten Funken. Lembke blieb an seinem Platz stehen, wandte sich in Richtung der Brüllenden um und ließ einen strengen und hoheitsvollen Blick durch den Saal schweifen … Man forderte ihn auf, so schnell wie möglich Platz zu nehmen. Mir wurde bange, als ich auf seinem Gesicht jenes unheimliche Lächeln wiederentdeckte, mit dem er gestern vormittag im Salon seiner Gattin gestanden und Stepan Trofimowitsch, ehe er sich ihm näherte, angestarrt hatte. Ich glaubte in seinem Gesicht auch jetzt jenen unheilverkündenden und, weit schlimmer, ziemlich komischen Ausdruck zu erkennen, den Ausdruck eines Wesens, das sich ergeben opfert, um den höchsten Zielen seiner Gattin zu dienen … Julija Michajlowna winkte mich schnell zu sich und flüsterte, ich möchte doch zu Karmasinow eilen und ihn beschwören anzufangen. Und da, kaum hatte ich mich umgedreht, ereignete sich eine weitere Gemeinheit, nur wesentlich niederträchtiger als die erste. Auf dem Podium, auf dem leeren Podium, wohin bis jetzt alle Augen und alle Erwartungen gerichtet waren und wo es nur einen kleinen Tisch mit einem Stuhl davor und auf dem Tisch ein Glas Wasser auf einem kleinen silbernen Tablett zu sehen gab, auf diesem leeren Podium erschien plötzlich die hünenhafte Gestalt des Hauptmanns Lebjadkin in Frack und weißer Binde. Ich war so verblüfft, daß ich meinen Augen nicht traute. Der Hauptmann schien verlegen zu werden und blieb in der Tiefe des Podiums stehen. Plötzlich hörte man aus dem Publikum rufen: »Lebjadkin! Bist du’s?« Die stumpfsinnige rote Visage des Hauptmanns (er war stockbesoffen) verzog sich bei diesem Ausruf zu einem breiten, stupiden Grinsen. Er hob die Hand, rieb sich die Stirn, schüttelte seine Mähne, trat, wie zu allem entschlossen, zwei Schritte vor und – prustete plötzlich vor Lachen, einem nicht besonders lauten, aber unaufhaltsamen, langen, glücklichen Lachen, das seinen fleischigen,

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