Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
etwa dreißig Schritt entfernt, ragte das schwarze Skelett eines fast vollständig ausgebrannten zweistöckigen Holzhauses, mit Löchern in beiden Stockwerken anstelle der Fenster, einem eingestürzten Dach und voll von Flammen, die immer noch um die verkohlten Balken züngelten. In der Tiefe des Hofes, etwa zwanzig Schritt von dem ausgebrannten Haus entfernt, hatte ein Hinterhaus, ebenfalls zweistöckig, gerade Feuer gefangen, und um dieses bemühten sich aus allen Kräften Männer der Feuerwehr. Rechts von ihm kämpften Volk und Feuerwehr um einen ziemlich großen Holzbau, der bis jetzt noch nicht gebrannt, aber bereits mehrere Male Feuer gefangen hatte und dem es wohl auch bestimmt war niederzubrennen. Lembke schrie, gestikulierte, immer mit dem Blick auf das Hinterhaus, und kommandierte, aber niemand beachtete seine Kommandos. Ich hatte bereits den Eindruck, daß man ihn hier abgestellt hätte und sich überhaupt nicht mehr um ihn kümmerte. Jedenfalls hörte ihm die dichtgedrängte und außerordentlich bunte Menge, die ihn umgab, in der nicht nur einfaches Volk, sondern auch bessere Leute und sogar der Dompope zu sehen waren, zwar neugierig und erstaunt zu, aber niemand sprach ihn an, und niemand versuchte, ihn in Sicherheit zu bringen. Totenblaß, mit funkelnden Augen verkündete Lembke die erstaunlichsten Dinge; zu allem Überfluß trug er keinen Hut, er war ihm schon längst abhanden gekommen.
    »Alles Brandstiftung! Das ist der Nihilismus! Wenn etwas in Flammen aufgeht, ist es der Nihilismus!« hörte ich nahezu entsetzt; auch wenn mit keiner Überraschung mehr zu rechnen ist, hat die augenfällige Realität immer etwas Erschütterndes.
    »Euer Exzellenz!« redete ein plötzlich auftauchender Revierpolizist auf ihn ein, »wenn es Exzellenz gefallen wollten, die häusliche Ruhe aufzusuchen … denn hier ist der bloße Standort für Euer Exzellenz schon viel zu gefährlich.«
    Dieser Revierpolizist war, wie ich später erfuhr, vom Polizeimeister wohlbedacht als Begleitung für Andrej Antonowitsch ausgewählt worden, mit dem Befehl, ihn nicht aus den Augen zu lassen, ihn unter allen Umständen nach Hause zu geleiten und im Falle von Gefahr sogar Gewalt anzuwenden – ein Auftrag, der die Möglichkeit des Ausführenden offenbar überstieg.
    »Die Tränen der Geschädigten werden getrocknet werden, aber die Stadt wird niederbrennen. Das sind immer die vier Schurken, vierundeinhalber. Der Schurke ist festzunehmen! Er ist hier der einzige, und er hat die vierundeinhalb verleumdet. Er untergräbt die Familienehre. Um die Häuser in Brand zu setzen, hat man die Gouvernanten benutzt. Das ist gemein, gemein! O Gott, was tut der da!« schrie er, als er plötzlich auf dem Dach des brennenden Hinterhauses einen Feuerwehrmann entdeckte, der, von züngelnden Flammen umgeben, auf dem bereits verkohlten Dach stand. »Herunterholen! Er bricht ein! Er verbrennt! Man muß ihn löschen … Was tut der da?«
    »Er löscht, Euer Exzellenz.«
    »Unwahrscheinlich. Das Feuer ist in den Köpfen und nicht auf den Dächern. Herunterholen und alles liegenlassen! Es ist besser, alles liegenlassen, alles liegenlassen! Es muß alles irgendwie von selbst ausgehen! Ha, wer weint da noch? Eine alte Frau! Die alte Frau schreit, warum hat man die alte Frau vergessen?«
    Tatsächlich, in dem unteren Stockwerk des brennenden Hinterhauses schrie eine vergessene alte Frau, eine achtzigjährige Verwandte des Kaufmanns, dem das brennende Haus gehörte.
    Aber man hatte sie nicht vergessen, sie war in das brennende Haus zurückgekehrt, als es noch möglich war, mit der irrwitzigen Absicht, aus einem Eckkämmerchen, das noch unversehrt war, ihr Federbett zu holen. Halb erstickt und vor Hitze schreiend, weil inzwischen auch ihr Kämmerchen brannte, mühte sie sich aus aller Kraft mit ihren schwachen Händen, das Federbett durch den Fensterrahmen, dessen Glasscheiben schon zersprungen waren, hindurchzuzwängen. Lembke eilte herzu, um ihr zu helfen. Man sah, wie er zum Fenster lief, das Federbett an einem Zipfel packte und mit aller Gewalt daran zerrte und zog. Der Zufall wollte es, daß genau in diesem Augenblick eine herausgebrochene Latte vom Dach herunterflog und den Unglücklichen traf. Sie erschlug ihn nicht, sondern streifte ihn nur im Flug mit einem Ende am Nacken, aber Andrej Antonowitschs Laufbahn war damit beendet, bei uns jedenfalls; der Schlag warf ihn um, er stürzte ohnmächtig zu Boden.
    Endlich brach der trübselige, düstere Morgen an.

Weitere Kostenlose Bücher