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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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freigesprochen. Außer diesen drei Schurken (von denen einer aufgegriffen wurde und ein Geständnis abgelegt hat, während die beiden anderen bis zur Stunde noch auf der Flucht sind) hatte auch Fedjka der Zuchthäusler die Hände im Spiel. Mehr läßt sich mit Sicherheit über die Ursachen des Feuers nicht sagen; ganz anders steht es mit Vermutungen oder Spekulationen. Was hat diese drei Schurken dazu bewogen, hat sie jemand angestiftet, und wenn ja – wer? Diese Fragen lassen sich sogar heute noch nur sehr schwer beantworten.
    Das Feuer verbreitete sich dank des heftigen Windes und der beinahe durchgehenden Holzbauweise sehr schnell und tobte in dem ganzen Viertel mit unglaublicher Macht (übrigens kann Brandstiftung nur an zwei Stellen als erwiesen gelten: an der dritten Stelle wurde das Feuer fast im selben Augenblick gelöscht, als die Flammen aufloderten, davon später mehr). Aber in den Zeitungsmeldungen der Metropole wurde unser Unglück übertrieben: Es brannte in Saretschje nicht mehr (vielleicht sogar weniger) als ein Viertel der Häuser, wenn man genau sein will. Unserer Feuerwehr, wenn auch bescheiden im Vergleich zur Ausdehnung und Bevölkerungszahl unserer Stadt, ging außerordentlich umsichtig und aufopfernd vor. Aber sie hätte kaum viel ausrichten können, trotz einmütiger Mitwirkung sämtlicher Einwohner, wenn sich der Wind nicht gegen Morgen gedreht und vor Tagesanbruch plötzlich gelegt hätte. Als ich kaum eine Stunde nach meiner Flucht aus dem Ballsaal in Saretschje ankam, wütete das Feuer bereits mit aller Macht. Die ganze Straße, parallel zum Fluß, stand in Flammen. Es war taghell. Ich brauche wohl auf Einzelheiten des Anblicks nicht einzugehen: Welchem Russen ist dieses Bild nicht bekannt? In allen anliegenden Gassen herrschte ein unmäßiges Hasten und Drängen. Hier erwartete man mit Gewißheit das Übergreifen des Feuers, und die Menschen schleppten ihr Hab und Gut auf die Straße hinaus, waren aber immer noch nicht bereit, sich von ihren Behausungen zu entfernen, und harrten auf ihren geretteten Truhen und Federbetten aus, jeder unter seinem eigenen Fenster. Ein Teil der männlichen Bevölkerung mußte schwer arbeiten, erbarmungslos Zäune abhacken und sogar ganze Hütten niederreißen, die den Flammen am nächsten und in der Windrichtung standen. Nur die erwachten Kinder weinten, die Frauen heulten und wehklagten, sobald sie ihre Habseligkeiten gerettet hatten. Andere, die noch nicht soweit waren, schleppten schweigend und energisch Stück für Stück auf die Straße hinaus. Funken und schwelende Holzstücke flogen weit durch die Luft; sie wurden nach Möglichkeit gelöscht. Um die Brandstätte drängten sich Zuschauer, die von allen Enden der Stadt herbeigeeilt waren. Die einen halfen beim Löschen, die anderen schauten als Liebhaber zu. Ein großes Feuer mitten in der Nacht erzeugt immer einen aufreizenden und erregenden Eindruck; darauf beruht die Wirkung des Feuerwerks; aber dessen Feuer verteilen sich auf schöne, regelmäßige Konturen und erzeugen, bei gänzlicher Ungefährlichkeit, einen spielerischen und beschwingten Eindruck wie ein Kelch Champagner. Etwas ganz anderes ist eine wirkliche Feuersbrunst: Hier erzeugt das Entsetzen, begleitet von dem gewissen Gefühl persönlicher Gefahr und dem prickelnden Eindruck nächtlichen Feuers, beim Zuschauer (natürlich nicht bei den Betroffenen) eine gewisse Erschütterung der Gehirntätigkeit und eine Art Herausforderung seiner eigenen Zerstörungsinstinkte, die, leider!, in jeder Seele lauern, sogar in der Seele des allerbravsten Familienvaters und Titularrats … Diese düstere Empfindung ist fast immer berauschend. »Ich weiß wirklich nicht, ob man eine Feuersbrunst ohne ein gewisses Vergnügen mit ansehen kann?« Das hat mir wortwörtlich Stepan Trofimowitsch gesagt, auf dem Heimweg von einer nächtlichen Feuersbrunst, deren Zeuge er zufällig geworden war, noch unter dem ersten Eindruck des Schauspiels. Natürlich kann ein Liebhaber nächtlichen Feuers auch sich selbst in die Flammen stürzen, um ein Kind oder eine alte Frau zu retten; aber das steht auf einem anderen Blatt.
    Indem ich mich unter die drängende, neugierige Menge mischte, gelangte ich, ohne mich erkundigen zu müssen, an die wichtigste und gefährlichste Stelle, wo ich endlich Lembke fand, den ich im Auftrag von Julija Michajlowna suchen sollte. Seine Position war erstaunlich und ungewöhnlich. Er stand auf den Trümmern eines Bretterzauns; links von ihm,

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