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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Das Feuer war zurückgegangen, der Wind legte sich plötzlich, es wurde still, und dann begann es fein und sachte zu regnen, wie durch ein Sieb. Ich befand mich inzwischen in einem anderen Teil von Saretschje, weit von der Stelle entfernt, wo Lembke zusammengebrochen war, und schnappte hier in der Menge recht seltsame Reden auf. Man hatte eine seltsame Entdeckung gemacht: Am äußersten Ende dieses Viertels, auf einem noch brachliegenden Grundstück, hinter den Gemüsegärten, nicht weniger als fünfzig Schritt von anderen Gebäuden entfernt, stand ein funkelnagelneues kleines Holzhaus, und gerade dieses einzeln stehende Haus hatte fast vor allen anderen zu brennen angefangen, ganz zu Beginn der Feuersbrunst. Selbst wenn es niedergebrannt wäre, hätte das Feuer bei dieser Entfernung auf kein anderes Gebäude übergreifen können, und umgekehrt – wenn das ganze Saretschje niedergebrannt wäre, hätte dieses Haus als einziges unversehrt bleiben können, auch bei noch so heftigem Wind. Daraus war zu schließen, daß es völlig für sich und selbständig in Brand geraten sein mußte, und das wohl nicht ohne Ursache. Das Wichtigste aber war, daß es nicht niedergebrannt war und daß in seinem Inneren, in der Morgendämmerung, wunderliche Dinge entdeckt wurden. Der Besitzer dieses neuen Hauses, ein Kleinbürger, der in der benachbarten Vorstadt wohnte, war, als er sein neues Haus brennen sah, schleunigst herbeigeeilt und hatte es fertiggebracht, es gegen das Feuer zu verteidigen, indem er mit Hilfe der Nachbarn den an der Seitenwand aufgestapelten, in Brand gesetzten Holzstoß auseinanderriß. Aber in dem Haus wohnten Mieter – der stadtbekannte Hauptmann mit Fräulein Schwester und einer ältlichen Magd –, und diese Mieter, der Hauptmann, seine Schwester und die Magd, alle drei, waren in dieser Nacht ermordet und offensichtlich beraubt worden. (Hierher war der Polizeimeister geeilt, als Lembke das Federbett retten wollte.) Gegen Morgen hatte sich diese Nachricht verbreitet, und eine riesige Menge Volk, darunter sogar Brandgeschädigte aus Saretschje, überflutete das brachliegende Gelände um das neue Haus. Es war schwer, auch nur durchzukommen, so dicht war das Gedränge. Mir wurde sofort erzählt, man habe den Hauptmann mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden, auf einer Bank, vollständig angekleidet, er sei vermutlich in betrunkenem Zustand umgebracht worden, so daß er überhaupt nichts gemerkt hätte, geblutet aber habe er »wie ein Ochse«; seine Schwester, Marja Timofejewna, »von oben bis unten von Messern zerstochen«, habe auf dem Boden an der Tür gelegen, woraus man schließen könne, daß sie sich gewehrt und mit dem Mörder in wachem Zustand gekämpft hätte. Der Magd, die wahrscheinlich ebenfalls aufgewacht sei, habe man den Schädel eingeschlagen. Der Hausbesitzer erzählte, der Hauptmann habe erst am Tag zuvor, morgens, ihn aufgesucht, in angeheitertem Zustand, habe geprahlt und ihm viel Geld gezeigt, an die zweihundert Rubel. Die alte abgestoßene grüne Brieftasche des Hauptmanns hatte man leer auf dem Fußboden gefunden; aber Marja Timofejewnas Truhe war unberührt, auch der silberne Oklad der Ikone war an seinem Platz; die Kleider des Hauptmanns waren ebenfalls vollzählig. Es war eindeutig, daß der Dieb sich beeilt hatte und über die Verhältnisse des Hauptmanns unterrichtet gewesen war, daß er es lediglich auf das Geld abgesehen hatte und wußte, wo es lag. Wenn der Hausbesitzer nicht im nächsten Augenblick herbeigelaufen wäre, dann wäre das Brennholz in hellen Flammen aufgegangen, das Haus sicherlich niedergebrannt und »an den verkohlten Leichen hätte man kaum die Wahrheit erkannt«.
    So wurde die Sache dargestellt. Man fügte noch hinzu: Diese Wohnung für den Hauptmann und dessen Schwester haben Herr Stawrogin, Nikolaj Wsewolodowitsch, der Sohn der Generalin Stawrogina, persönlich gemietet, haben dem Besitzer sehr zugeredet, weil dieser sein Haus eigentlich zu einer Schenke bestimmt habe und nicht zum Vermieten, Nikolaj Wsewolodowitsch aber seien mit jedem Preis einverstanden gewesen und hätten die Miete für ein halbes Jahr im voraus bezahlt.
    »Es hat nicht von ungefähr gebrannt«, hörte man aus der Menge.
    Aber die meisten schwiegen. Die Gesichter waren finster, aber eine große, sichtbare Erregung konnte ich nicht feststellen. Ringsum jedoch wurden Geschichten über Nikolaj Wsewolodowitsch erzählt, auch daß die Ermordete seine Ehefrau gewesen sei, daß er gestern aus

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