Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Kopfkissen, um nicht in der Nacht zu sterben … je m’en souviens. Enfin , nicht das geringste Gefühl für das Schöne, das heißt für das Erhabene, Fundamentale, auch nicht der Keim einer künftigen Idee. c’était comme un petit idiot . Übrigens bin ich, wie ich glaube, selbst etwas verwirrt, ich bitte um Nachsicht, ich … Sie überraschten mich gerade bei …«
»Ist das Ihr Ernst, daß er ein Kreuz über seinem Kopfkissen schlug?« erkundigte sich plötzlich der Ingenieur mit irgendwie besonderer Neugier.
»Ja, er schlug ein Kreuz …«
»Gut, nur so; fahren Sie fort.«
Stepan Trofimowitsch sah Liputin fragend an.
»Ich bin Ihnen für den Besuch sehr verbunden, aber ich muß gestehen, daß ich jetzt … kaum imstande bin … Erlauben Sie jedoch die Frage, wo Sie abgestiegen sind?«
»Bogojawlenskaja-Straße, Haus Filippow.«
»Aha, dort, wo Schatow wohnt«, entschlüpfte es mir.
»Genau, im selben Haus«, rief Liputin, »aber Schatow wohnt oben, im Mezzanin, und Herr Kirillow logieren beim Hauptmann Lebjadkin. Sie sind auch mit Schatow bekannt und auch mit Schatows Gattin. Sie haben im Ausland mit ihr sehr enge Beziehungen unterhalten.«
» Comment ! Dann wissen Sie vielleicht etwas über die unglückliche Ehe de ce pauvre ami und über diese Frau?« rief Stepan Trofimowitsch, plötzlich von Gefühlen überwältigt. »In Ihnen begegne ich dem ersten Menschen, der sie persönlich kennt; und wenn es nicht …«
»Was für Unsinn!« fiel ihm zornentflammt der Ingenieur ins Wort. »Wie können Sie nur so übertreiben, Liputin! Nie hab ich Schatows Frau gesehen, nur einmal, von ferne, und überhaupt nicht eng … Schatow kenn’ ich. Warum sagen Sie alles mögliche dazu?«
Er wandte sich auf seinem Sofa brüsk ab, griff nach seinem Hut , legte ihn wieder hin, nahm die frühere Stellung wieder ein und richtete seine schwarzen, zornentflammten Augen irgendwie herausfordernd auf Stepan Trofimowitsch. Ich konnte mir auf diese eigentümliche Gereiztheit keinen Vers machen.
»Ich bitte zum Entschuldigung«, begann Stepan Trofimowitsch mit Würde, »ich verstehe, daß es sich dabei vielleicht um eine sehr delikate Angelegenheit …«
»Nichts von delikater Angelegenheit, aber schon sowas ist schändlich, und ich habe nicht Ihnen geschrien ›Unsinn‹, sondern Liputin, weil er übertreibt. Entschuldigung, wenn Sie es auf sich bezogen haben. Schatow kenne ich, seine Frau gar nicht … kenne gar nicht!«
»Ich verstehe, ich verstehe, und wenn ich insistierte, dann nur, weil ich unserem armen Freund, notre irascible ami , herzlich zugetan bin und weil ich mich immer interessierte für … Dieser Mann hat seine früheren, vielleicht jugendlich unreifen, aber immerhin richtigen Ansichten, meiner Meinung nach, allzu kraß geändert. Und jetzt verkündet er über notre sainte Russie alles mögliche so eifernd, daß ich diese Veränderung seines Organismus – anders will ich es nicht nennen – schon lange auf eine einschneidende Familienkatastrophe zurückführe, namentlich auf seine mißglückte Ehe. Ich, der ich mein armes Rußland wie meine eigenen fünf Finger kenne und dem russischen Volk mein ganzes Leben geweiht habe, ich darf Ihnen versichern, daß er das russische Volk nicht kennt, und außerdem …«
»Ich kenne das russische Volk auch nicht und … habe gar keine Zeit zu studieren!« unterbrach der Ingenieur und wandte sich auf dem Sofa wieder ab. Stepan Trofimowitsch verstummte mitten im Satz.
»Herr Kirillow studieren und studieren«, fiel Liputin ein. »Sie haben das Studium bereits aufgenommen und sind dabei, einen höchst interessanten Artikel über die Ursachen des Selbstmords zu schreiben, der in Rußland immer häufiger wird, und überhaupt über die Ursachen, die die Verbreitung des Selbstmords in der Gesellschaft begünstigen oder hemmen. Und sind zu erstaunlichen Ergebnissen gelangt.«
Der Ingenieur geriet in fürchterliche Erregung.
»Sie haben überhaupt kein Recht«, murmelte er aufgebracht. »Überhaupt keinen Artikel. Ich will keine Dummheiten. Ich fragte Sie im Vertrauen, ganz zufällig. Es geht überhaupt um keinen Artikel; ich veröffentliche nichts, und Sie haben kein Recht …«
Liputin wiegte sich offenkundig in Behagen.
»Vielleicht habe ich mich geirrt, mit Verlaub, als ich Ihr literarisches Werk einen Artikel nannte. Alexej Nilytsch sammeln nur Beobachtungen, aber das eigentliche Problem, sozusagen seine moralische Seite, berühren sie überhaupt nicht
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