Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
trat Liputin ins Zimmer.
    IV
    WARUM er verloren wäre und warum Liputin etwas damit zu tun haben sollte, wußte er nicht, und ich nahm seine Worte auch nicht sonderlich ernst; ich führte alles auf seine Nerven zurück. Aber sein Erschrecken war immerhin besonders heftig, und ich nahm mir vor, ihn aufmerksam zu beobachten.
    Schon die Haltung des eintretenden Liputin gab zu verstehen, daß ihm diesesmal, ungeachtet aller Verbote, ein Sonderrecht zukomme. Ihm folgte ein Unbekannter, wahrscheinlich ein Zugereister. Als Antwort auf den fassungslosen Blick des völlig erstarrten Stepan Trofimowitsch rief er sofort laut:
    »Ich bringe einen Gast mit, einen ganz besonderen Gast! Ich nehme mir heraus, Ihre Einsamkeit zu stören. Herr Kirillow, ein ganz hervorragender Bauingenieur. Und die Hauptsache, Herr Kirillow kennen Ihren Sohn, den hochverehrten Pjotr Stepanowitsch, und zwar sehr genau, haben einen Auftrag von ihm zu übermitteln. Und sind soeben eingetroffen.«
    »Den Auftrag haben Sie erfunden«, sagte der Gast schroff, »kein Auftrag, aber Werchowenskij kenne ich. Habe ihn zuletzt im Gouvernement Ch … gesehen, vor zehn Tagen.«
    Stepan Trofimowitsch reichte ihnen mechanisch die Hand und forderte sie auf, Platz zu nehmen; er sah mich an, sah Liputin an und beeilte sich, wie wenn er zur Besinnung gekommen wäre, sich gleichfalls zu setzen, hielt aber immer noch Hut und Stock in der Hand, ohne es zu bemerken.
    »Aha, Sie wollen ja ausgehen! Und mir wurde gesagt, Sie hätten sich überarbeitet und wären unpäßlich.«
    »Ja, ich bin krank und wollte gerade spazierengehen, ich …«, Stepan Trofimowitsch stockte, warf rasch Hut und Stock aufs Sofa und – errötete.
    Ich hatte unterdessen unseren Gast beobachtet. Er war ein noch junger Mann von etwa siebenundzwanzig Jahren, korrekt gekleidet, schlank, sogar mager, dunkelhaarig, mit bleichem, ins Gräuliche spielenden Teint und schwarzen glanzlosen Augen. Er wirkte irgendwie nachdenklich und zerstreut, sprach abgehackt, ohne Grammatik oder Wortstellung besonders zu beachten, und verhaspelte sich, wenn eine längere Phrase unvermeidbar war. Liputin hatte das außerordentliche Erschrecken Stepan Trofimowitschs sehr wohl registriert und war sichtlich zufrieden. Er machte es sich in einem Korbsessel bequem, den er fast in die Mitte des Zimmers rückte, auf gleiche Distanz zum Hausherrn und zum Gast, die auf zwei einander gegenüberstehenden Diwane Platz genommen hatten. Seine scharfen Augen huschten neugierig durch alle Winkel des Zimmers.
    »Ich … Ich habe Petruscha schon lange nicht mehr gesehen … Haben Sie sich im Ausland getroffen?« murmelte Stepan Trofimowitsch mit Überwindung.
    »Hier und im Ausland.«
    »Alexej Nilytsch sind soeben nach vierjähriger Abwesenheit aus dem Ausland zurückgekehrt«, Liputin nahm den Faden sofort auf, »sie sind gereist, um höchste Vollkommenheit in ihrem Fach zu erlangen und halten sich bei uns auf in der berechtigten Hoffnung, eine Anstellung beim Bau unserer Eisenbahnbrücke zu erhalten, jetzt warten sie auf Antwort. Sie sind auch mit Familie Drosdow, mit Lisaweta Nikolajewna bekannt, durch Empfehlung von Pjotr Stepanowitsch.«
    Der Ingenieur saß da wie mit gesträubten Federn und hörte mit Ungeduld und Mißbehagen zu. Mir schien, daß er sich über etwas ärgerte.
    »Alexej Nilytsch sind auch mit Nikolaj Wsewolodowitsch bekannt.«
    »Sie kennen auch Nikolaj Wsewolodowitsch?« erkundigte sich Stepan Trofimowitsch.
    »Kenn’ ich auch.«
    »Ich … Ich habe Petruscha schon sehr lange nicht gesehen und … fühle mich kaum im Recht, sein Vater zu heißen … c’est le mot . Ich … Wie ging es ihm, als Sie ihn zuletzt sahen?«
    »Einfach so, als ich ihn zuletzt sah … Wird selber kommen.« Herr Kirillow antwortete wieder prompt und abweisend. Er war entschieden verärgert.
    »Er kommt! Endlich werde ich … Sehen Sie, es ist viel zu lange her, daß ich meinen Petruscha gesehen habe!« Stepan Trofimowitsch kam von dieser Phrase nicht los. »Ich warte auf meinen armen Jungen, vor dem ich … oh, vor dem ich mich so sehr schuldig fühle! Das heißt, ich möchte eigentlich sagen, daß ich damals, als ich ihn in Petersburg zurückließ, daß ich … mit einem Wort … daß ich ihn für ein Nichts hielt, quelque chose dans ce genre  … Ein nervöses Kind, wissen Sie, sehr empfindsam und … ängstlich. Bevor er zu Bett ging, betete er, verneigte sich dabei bis auf die Erde und schlug ein Kreuz über seinem

Weitere Kostenlose Bücher