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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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beschimpfen, durch den Ton!«
    »Es reicht, Kirillow, ich versichere Ihnen, es reicht!« beschwor ihn Pjotr Stepanowitsch nahezu flehentlich, voller Angst, Kirillow könnte das Blatt zerreißen: »Damit sie glauben, muß man es so dunkel wie möglich halten, genauso, genau mit solchen Andeutungen. Von der Wahrheit nur ein Zipfelchen zeigen, gerade nur ein Haarbreit, um sie zu reizen. Die schwindeln sich selbst immer mehr zusammen als wir und glauben sich selbst naturgemäß mehr als uns, das ist das Beste, das Allerbeste! Geben Sie her; das ist sowieso ausgezeichnet; geben Sie her, geben Sie her!«
    Dabei versuchte er immer wieder, Kirillow das Blatt zu entreißen. Dieser hörte ihm mit geweiteten Augen zu, als ob es ihm schwerfiele zu folgen, aber er war offensichtlich nicht mehr in der Lage, etwas zu verstehen.
    »Hol’s der Teufel!« Plötzlich packte Pjotr Stepanowitsch die Wut. »Er hat ja noch gar nicht unterschrieben! Warum reißen Sie die Augen auf, unterschreiben Sie!«
    »Will beschimpfen …«, murmelte Kirillow, griff jedoch nach der Feder und unterschrieb. »Will beschimpfen …«
    »Schreiben Sie drunter: Vive la république, das reicht.«
    »Bravo!« Kirillow brüllte förmlich vor Begeisterung. » Vive la république démocratique sociale et universelle ou – la mort! … Nein, nein, anders: Liberté, égalité, fraternité ou la mort !« setzte er genußvoll unter seinen Namenszug. »So ist besser, so ist besser.«
    »Das reicht, das reicht«, wiederholte Pjotr Stepanowitsch unaufhörlich.
    »Stop, noch eine Kleinigkeit … Weißt du, ich unterschreibe noch einmal auf französisch: › de Kirilloff, gentilhomme russe et citoyen du monde. ‹ Ha-ha-ha!« Er schüttelte sich vor Lachen. »Nein, nein, stop! Ich hab’ noch was Besseres, heureka: gentilhomme-séminariste russe et citoyen du monde civilisé! Das ist besser als alles …« Damit sprang er vom Sofa auf, griff plötzlich mit einer raschen Bewegung nach dem Revolver auf dem Fensterbrett, stürzte damit in das andere Zimmer und zog die Tür fest hinter sich zu. Pjotr Stepanowitsch blieb etwa eine Minute lang nachdenklich stehen, den Blick auf die Tür gerichtet.
    “Wenn sofort, dann drückt er wohl ab, aber wenn er nachdenkt – dann wird es nichts.”
    Er nahm einstweilen das Blatt an sich, setzte sich und überflog es noch einmal. Die Fassung der Erklärung fand abermals sein Gefallen.
    “Worauf kommt es zunächst an? Es kommt darauf an, daß man sie gänzlich verunsichert und damit ablenkt. Im Park? In der Stadt gibt es keinen Park, dann werden sie von selbst zu dem Schluß kommen, daß es der Park von Skworeschniki ist. Solange sie sich den Kopf zerbrechen, vergeht eine gewisse Zeit, solange sie suchen, wieder eine Weile, und wenn sie den Leichnam finden, glauben sie, daß alles Geschriebene der Wahrheit entspricht; also ist das Ganze, also ist auch das über Fedjka wahr. Und was ist Fedjka? Fedjka – das ist die Brandstiftung, das sind die Lebjadkins: Also ist alles von hier, vom Haus Filippow, ausgegangen, sie aber haben nichts gemerkt, sie haben alles verschlafen – und das wird sie vollends in die Irre führen. Auf die Unsrigen werden sie gar nicht verfallen; Schatow und Kirillow, Fedjka und Lebjadkin; und warum sie gemordet haben, das wird ihnen noch weiter Kopfzerbrechen machen. Teufel! Immer noch kein Schuß!”
    Obwohl er gelesen und sich an der Fassung ergötzt hatte, hatte er doch jeden Moment voll quälender Unruhe gehorcht und – geriet plötzlich in Wut. Er warf einen besorgten Blick auf die Uhr; es war reichlich spät; jener hatte das Zimmer vor etwa zehn Minuten verlassen … Er nahm die Kerze und ging auf die Tür des Zimmers zu, die Kirillow hinter sich zugezogen hatte. Unmittelbar vor der Tür fiel ihm plötzlich auf, daß die Kerze tief heruntergebrannt war und in höchstens zwanzig Minuten ausgehen würde, und eine andere hatte er nicht. Er legte die Hand auf die Klinke und lauschte vorsichtig, er hörte nicht den geringsten Laut; er riß die Tür plötzlich auf und hob die Kerze in die Höhe: ein Brüllen – und ein Etwas stürzte ihm entgegen. Er schlug mit aller Gewalt die Tür zu und lehnte sich wieder dagegen, aber schon war alles ruhig – wieder Totenstille.
    Lange blieb er unentschlossen stehen, die Kerze in der Hand. In jener Sekunde, da er die Tür aufstieß, hatte er nur sehr wenig erkennen können, wohl aber das Gesicht Kirillows, der in der Tiefe des Zimmers vor dem Fenster gestanden

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