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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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ist – das ist eine Absurdität, deren einzige Konsequenz die Selbsttötung ist. Erkennt man dies – ist man Zar und braucht sich nicht mehr zu töten und wird in höchstem Ruhme leben. Aber ein einziger, jener, der der erste ist, der muß sich selbst töten, unbedingt, wer sonst soll beginnen und beweisen? Ich bin es, der sich selbst unbedingt tötet, um anzufangen und zu beweisen. Ich bin Gott erst gezwungenermaßen, und ich bin unglücklich, weil ich verpflichtet bin, den Selbstwillen zu beweisen. Alle sind unglücklich, weil alle Angst haben, den Selbstwillen zu beweisen. Der Mensch war bis heute so unglücklich und armselig, weil er Angst hatte, den zentralen Punkt des Selbstwillens zu beweisen, und er benahm sich nur an der Peripherie selbstwillig, wie ein Schuljunge. Ich bin furchtbar unglücklich, weil ich furchtbare Angst habe. Die Angst ist der Fluch des Menschen … Aber ich werde den Selbstwillen beweisen und bin verpflichtet zu glauben, daß ich nicht glaube. Ich werde den Anfang machen und das Ende, und ich werde die Pforten aufstoßen. Und erlösen. Das ist das einzige, was alle Menschen erlösen und bereits die nächste Generation physisch verwandeln wird; denn in seiner heutigen physischen Gestalt kann der Mensch, so wie ich ihn verstehe, auf den früheren Gott unmöglich verzichten. Ich habe drei Jahre lang das Attribut meiner Gottheit gesucht und gefunden: Das Attribut meiner Gottheit ist der Selbstwille! Das ist alles, womit ich den zentralen Punkt meines Ungehorsams und meiner neuen furchtbaren Freiheit beweisen kann. Denn sie ist furchtbar. Ich töte mich, um meinen Ungehorsam und meine neue furchtbare Freiheit zu beweisen.«
    Sein Gesicht war unnatürlich bleich, der Blick unerträglich schwer. Er war wie im Fieber. Pjotr Stepanowitsch dachte schon, er müsse jeden Augenblick zusammenbrechen.
    »Her mit der Feder!« rief Kirillow plötzlich, völlig unerwartet, in entschiedener Begeisterung. »Diktiere, ich unterschreibe alles! Auch den Mord an Schatow unterschreibe ich. Diktiere, solange ich lachen muß. Die Gedanken hochmütiger Sklaven fürchte ich nicht! Du wirst es selbst erleben, daß nichts Heimliches ist, was man nicht wissen wird! Du aber wirst zertreten werden … Ich glaube! Ich glaube!«
    Pjotr Stepanowitsch sprang auf, reichte ihm augenblicklich Tintenfaß und Papier und begann zu diktieren, die günstige Gelegenheit ergreifend und um den Erfolg zitternd.
    »Ich, Alexej Kirillow, erkläre …«
    »Stop! Will nicht! Wem erkläre ich?«
    Kirillow schlotterte wie in einem Fieberanfall. Diese Erklärung und ein besonderer Einfall dazu schienen ihn plötzlich ganz in Anspruch zu nehmen, wie ein Ausweg, nach dem sein gemarterter Geist, und sei es nur für einen Augenblick, stürmisch drängte.
    »Wem erkläre ich? Ich will wissen, wem?«
    »Keinem, jedem, dem ersten, der es liest. Muß das so genau sein? Der ganzen Welt!«
    »Der ganzen Welt? Bravo! Und nur ja keine Reue. Ich will nicht bereuen, und ich will nicht an die Behörde!«
    »Aber nein, nicht nötig! Zum Teufel mit der Behörde! Aber schreiben Sie doch endlich, wenn es Ihnen ernst ist! …« fuhr ihn Pjotr Stepanowitsch hysterisch an.
    »Stop! Ich will oben eine Fratze mit ausgestreckter Zunge!«
    »Quatsch!« Pjotr Stepanowitsch war erbost. »Auch ohne Zeichnung kann man das alles ausdrücken, nur durch den Ton.«
    »Durch den Ton? Das ist gut. Jawohl, durch den Ton, durch den Ton! Diktiere mit dem Ton!«
    »Ich, Alexej Kirillow«, diktierte Pjotr Stepanowitsch fest und gebieterisch, wobei er, über Kirillows Schulter gebeugt, jeden Buchstaben verfolgte, den dieser mit vor Erregung zitternder Hand hinschrieb, »ich, Kirillow, erkläre, daß ich heute, den … Oktober, um acht Uhr abends den Studenten Schatow umgebracht habe, für seinen Verrat, im Park, und auch für seine Anzeige, die Proklamationen und Fedjka betreffend, der bei uns beiden im Haus Filippow zehn Tage lang gewohnt und übernachtet hat. Ich erschieße mich heute mit meinem Revolver, keineswegs, weil ich bereue und Euch fürchte, sondern weil ich mir im Ausland vorgenommen habe, meinem Leben ein Ende zu setzen.«
    »Ist das alles?« rief Kirillow erstaunt und empört.
    »Keine Silbe mehr.« Pjotr Stepanowitsch winkte ab und versuchte, ihm das Dokument zu entreißen.
    »Stop!« Kirillow legte die flache Hand auf das Blatt. »Stop, Unsinn! Ich will, daß drinsteht, mit wem getötet. Wozu Fedjka? Und das Feuer? Ich will alles, und dann will ich sie auch

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